Entscheidungsvorlage - FB 20/0306/WP18

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

 

Der Rat der Stadt Aachen nimmt die Ausführungen zur Kenntnis und stimmt den Anpassungen der Gesellschaftsverträge / Satzungen laut der beigefügten Anlagen 1 und 2 zu.

 

Die Oberbürgermeisterin wird ermächtigt, Änderungen in Form redaktioneller oder unwesentlicher Korrekturen sowie Änderungen, die von der Bezirksregierung im Rahmen des Anzeigeverfahrens veranlasst werden, vorzunehmen.

 

Die Beschlussumsetzung steht unter dem Vorbehalt eines positiv abgeschlossenen Anzeigeverfahrens bei der Bezirksregierung Köln gemäß § 115 GO NRW.

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Erläuterungen

 

Durch das am 28. Februar 2024 vom Landtag NRW beschlossene und mit Wirkung zum 31. Dezember 2023 in Kraft getretene 3. NKF-Weiterentwicklungsgesetz (3. NKFWG NRW) ergeben sich durch die Änderung des § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 GO NRW und die Streichung des § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 GO NRW auch Auswirkungen für die kommunalen Beteiligungen.

 

 

1. Änderung des § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 GO NRW

 

Bislang mussten die privatrechtlichen Unternehmen und Einrichtungen den Jahresabschluss und den Lagebericht „in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Dritten Buches des Handelsgesetzbuches für große Kapitalgesellschaften“ aufstellen und prüfen lassen. Mit der Verabschiedung des 3. NKFWG NRW wird nur noch die entsprechende „Anwendung der Vorschriften des Dritten Buches des Handelsgesetzbuches für Kapitalgesellschaften“ gefordert.

 

Demnach wird für kommunale Unternehmen und Einrichtungen des privaten Rechts die Kopplung des Jahresabschlusses an die Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) für große Kapitalgesellschaften aufgegeben. Stattdessen gilt die Unterscheidung zwischen den im HGB genannten vier Größenklassen

 

  •           Kleinstkapitalgesellschaften,
  •           kleine Kapitalgesellschaften,
  •           mittelgroße Kapitalgesellschaften und
  •           große Kapitalgesellschaften.

 

Die Wertgrenzen zur Einteilung der Unternehmen in die verschiedenen Größenklassen ergeben sich aus den §§ 267 und 267a HGB. Die Zuordnung erfolgt, wenn zwei der drei Merkmale zutreffen.

 

Tabelle 1: Größenklassen der Gesellschaften

Beurteilungskriterium

Kleinst

Klein

Mittelgroß

Groß

Bilanzsumme

<450 Tausend Euro

<7,5 Mio. Euro

<25 Mio. Euro

>25 Mio. Euro

Umsatzerlöse

<900 Tausend Euro

<15 Mio. Euro

<50 Mio. Euro

>50 Mio. Euro

Arbeitnehmeranzahl

(im Jahresdurchschnitt)

<10

<50

<250

>250

 

 

Größenabhängige Erleichterungen

 

Die Änderung des § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 GO NRW kann größenabhängige Erleichterungen in Bezug auf die Jahresabschlüsse kommunaler Beteiligungen zur Folge haben.

 

Je nachdem zu welcher Größenklasse ein Unternehmen gehört, ergeben sich unterschiedliche Pflichten in Bezug auf die Aufstellung und Offenlegung der Jahresabschlussunterlagen, die in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst sind.

 

Tabelle 2: Einzureichende Unterlagen / Umfang der Offenlegungspflicht

Bestandteil des Jahresabschlusses

Kleinst

Klein

Mittelgroß

Groß

Bilanz

Verkürzt

Verkürzt

Ja

Ja 

GuV

Nein

Nein

Verkürzt

Ja

Lagebericht

Nein

Nein

Ja

Ja

Anhang

Nein

Verkürzt

Ja

Ja

Prüfungspflicht

Nein

Nein

Ja

Ja

 

Die Pflichten und größenabhängigen Erleichterungen ergeben sich aus zahlreichen Normen des HGB.

 

Auch hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) gibt es größenabhängige Erleichterungen in Bezug auf die Aufstellungsverpflichtung und den Zeitpunkt der pflichtigen Aufstellung.

Kleinstkapitalgesellschaften müssen keinen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Kleine und mittlere Unternehmen nur, wenn sie kapitalmarktorientiert sind. Große Unternehmen müssen spätestens für das Geschäftsjahr 2025 einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen.

 

Somit ergäbe sich für sämtliche kommunale Beteiligungen, deren Gesellschaftsverträge oder Satzungen die Regelung enthalten, dass Jahresabschluss und Lagebericht nach den Vorschriften des Dritten Buches des HGB für große Kapitalgesellschaften aufzustellen und zu prüfen sind, die Pflicht, einen Lagebericht einschließlich eines Nachhaltigkeitsberichts zu erstellen.

 

 

Einordnung der größenabhängigen Erleichterungen aus Sicht der Verwaltung

 

Im Beteiligungsportfolio der Stadt Aachen sind alle o.g. Größenklassen vertreten. So gibt es große Gesellschaften wie z.B. die ASEAG, STAWAG oder die regio iT. Mittelgroße Gesellschaften sind beispielsweise die APAG und die gewoge AG. Zu den kleinen Gesellschaften der Stadt Aachen gehören u.a. die ASB und die AGIT. Unter die Kleinstgesellschaften fallen z.B. die EUROGRESS Aachen Betriebs-GmbH und die SEGA.

 

Aufgrund der bisherigen Regelung in der GO NRW ist bei nahezu allen städtischen Gesellschaften im jeweiligen Gesellschaftsvertrag / in der jeweiligen Satzung geregelt, dass der Jahresabschluss und der Lagebericht nach den Vorschriften des Dritten Buches des Handelsgesetzbuches für große Kapitalgesellschaften aufzustellen und zu prüfen sind.

 

Vor dem Hintergrund der Beteiligungssteuerung sind neben dem Zahlenmaterial des Jahresabschlusses auch die Darstellung des Geschäftsverlaufs und der Lage des Unternehmens in einem Lagebericht sowie die Jahresabschlussprüfung bei „verwaltungsnahen“ Gesellschaften sinnvoll. Die städtischen Unternehmen und deren (wirtschaftliche) Betätigung sind integraler Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung. Sie bedürfen ebenso wie Verwaltungsprozesse einer Steuerung. Dazu gehört auch das Beteiligungscontrolling, das u.a. durch die Analyse von Jahresabschlüssen (auch im Jahresvergleich) für die politischen Vertreter der Stadt in der Gesellschafter-/Hauptversammlung und im Aufsichtsrat steuerungsunterstützend tätig ist.

 

Daher empfiehlt die Verwaltung, dass die Gesellschaften auch weiterhin im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses einen Lagebericht aufstellen und dass zudem die Jahresabschlüsse der Abschlussprüfung unterliegen. Etwaige Arbeits- und Kostenersparnisse, die durch den eventuellen Wegfall dieser Komponenten entstehen würden, sind aus Sicht der Verwaltung im Hinblick auf Transparenz, Vergleichbarkeit und Steuerungsunterstützung vernachlässigbar.

 

Nach den derzeitigen Regelungen in den Gesellschaftsverträgen wären fast alle städtischen Unternehmen ab spätestens 2025 zur Aufstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes nach CSRD verpflichtet.

Mit der im November 2022 vom EU-Parlament verabschiedeten CSRD ändern sich Umfang und Art der Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich. Zentraler Bestandteil ist die doppelte Wesentlichkeitsanalyse, die die nicht-finanzielle Wesentlichkeit mit der finanziellen Wesentlichkeit kombiniert.

Es sollen sowohl die Auswirkungen des eigenen Geschäftsbetriebs auf die Gesellschaft und die Umwelt ermittelt werden (nicht-finanzielle Wesentlichkeit / inside-out) als auch die Auswirkungen externer Nachhaltigkeitsaspekte auf das Unternehmen (finanzielle Wesentlichkeit / outside-in). Zudem wird gefordert, Nachhaltigkeitsziele festzulegen und über die Zielerreichung zu berichten. Die Berichterstattung erfolgt in Übereinstimmung mit den EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) und ist auf die Vergangenheit und die Zukunft zu beziehen. Dabei steht die gesamte Wertschöpfungskette im Blickpunkt. Der Nachhaltigkeitsbericht wird Teil des Lageberichts sein und der Prüfung durch eine(n) Wirtschaftsprüfer(in) unterliegen. Die umfangreiche Berichterstellung wird v.a. in den ersten Jahren hohe fachspezifische Ressourcen erfordern.

 

Diese ausführliche Berichterstattung steht nicht im Verhältnis zum Aufwand, insbesondere bei den kleineren Gesellschaften. Die Verwaltung schlägt daher vor, die rechtliche Möglichkeit zu nutzen und nur die Unternehmen zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts nach CSRD zu verpflichten, bei denen die landesrechtliche Regelung dies vorschreibt. Das sind die Unternehmen, die als große Kapitalgesellschaften eingruppiert sind. Kleinstkapitalgesellschaften sowie kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften sollten – auch wenn sie bislang Jahresabschluss und Lagebericht nach den Regelungen für die großen Kapitalgesellschaften aufstellen – keinen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen. Dies erfolgt insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit der Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts nach CSRD Erhebungsbedarfe und Vorgaben verbunden sind, die städtische Gesellschaften nur mit enorm hohem Aufwand erbringen können. Den kleineren und mittleren Gesellschaften soll daher die Möglichkeit gegeben werden, Nachhaltigkeitsaspekte außerhalb des formellen Rahmens der CSRD in ihren Lagerichten aufzuführen. Soweit die betreffenden Gesellschaften in einer Konzernstruktur eingebunden sind, ist darüber hinaus die Muttergesellschaft gehalten, die Nachhaltigkeitsaspekte in dem bündelnden Konzernabschluss aufzugreifen.

 

 

Änderung der Gesellschaftsverträge

 

Um die Kleinstkapitalgesellschaften sowie die kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften im städtischen Beteiligungsportfolio von der zukünftigen Aufstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes nach CSRD zu befreien, müssen die Gesellschaftsverträge / Satzungen angepasst werden. Gleichzeitig hält die Verwaltung die Erstellung eines Lageberichts wie bisher sowie die Aufrechterhaltung der Prüfpflicht des Jahresabschlusses für sinnvoll und schlägt daher folgende Formulierung für die Gesellschaftsverträge / Satzungen vor:

 

Der Jahresabschluss der Gesellschaft wird in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Dritten Buches des Handelsgesetzbuches für Kapitalgesellschaften aufgestellt und geprüft, soweit nicht weitergehende oder andere gesetzliche Vorschriften, der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung gelten. Dabei werden - analog zu den Vorgaben für mittelgroße Kapitalgesellschaften - ein Lagebericht (ohne Nachhaltigkeitsbericht) erstellt sowie der Jahresabschluss unabhängig von der Größe der Gesellschaft von einem Abschlussprüfer / einer Abschlussprüferin geprüft.

 

Bei der Forschungsflugplatz Würselen-Aachen GmbH (FWA GmbH) und der Aachener Verkehrsverbund GmbH (AVV GmbH) hat nicht die Stadt Aachen die höchsten Gesellschaftsanteile. Die Mehrheitsgesellschafter dieser Unternehmen bevorzugen eine andere Formulierung in den Gesellschaftsverträgen. Das Wort „große“ soll durch „mittelgroße“ (Kapitalgesellschaften) ersetzt werden. Dadurch werden die Gesellschaften verpflichtet, den Jahresabschluss nach den Vorschriften für mittelgroße Kapitalgesellschaften aufzustellen. Die Vorgaben entsprechen denen der großen Gesellschaften, außer dass eine verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung aufgestellt werden darf und kein Nachhaltigkeitsbericht erstellt werden muss.

 

Die Hauptversammlung der gewoge AG hat bereits – vorbehaltlich des Ratsbeschlusses – eine Anpassung der Satzung an die aktuelle Gesetzeslage vorgenommen. Da es sich bei der gewoge AG um eine mittelgroße Kapitalgesellschaft handelt, muss sie ohnehin einen Lagebericht aufstellen und den Jahresabschluss prüfen lassen. Im Übrigen wurde die Satzung an zwischenzeitlich geänderte einzelne Bezüge auf die GO NRW angepasst (vgl. Anlage 3: Antrag der Fraktionen Grüne und SPD vom 10.09.2024).

 

Bei der Städtischen Entwicklungsgesellschaft Aachen Verwaltungs-GmbH wird auf die Erstellung eines Lageberichtes und die Prüfpflicht des Jahresabschlusses verzichtet. Es handelt sich um die Komplementärin der Städtischen Entwicklungsgesellschaft Aachen GmbH & Co. KG. Sie ist nicht operativ tätig, so dass im Jahresabschluss nur wenige Sachverhalte berücksichtigt werden. Die Aufstellung des Jahresabschlusses nach den gesetzlichen Regelungen des HGB wird hier für ausreichend erachtet.

 

Die Anlage 1 enthält eine Übersicht über die derzeitigen Regelungen in den Gesellschaftsverträgen / Satzungen und die entsprechenden Anpassungen an die Änderung des § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 GO NRW. In Bezug auf die Satzung der gewoge AG enthält sie zusätzlich die Anpassungen an die zwischenzeitlich geänderten Bezüge auf die GO NRW.

 

 

2. Streichung des § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 GO NRW

 

Mit dem „Gesetz zur Schaffung von mehr Transparenz in öffentlichen Unternehmen im Lande Nordrhein-Westfalen (Transparenzgesetz)“ vom 17. Dezember 2009, das § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 GO NRW einfügte, wurde die individualisierte Angabe der Organbezüge im Anhang des Jahresabschlusses sämtlicher öffentlicher Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform und Größe eingeführt. Laut damaliger Gesetzesbegründung zum Transparenzgesetz kommt dem Informationsanspruch der Allgemeinheit ein besonderer Stellenwert zu, wenn sich Unternehmen der öffentlichen Hand aus öffentlichen Mitteln finanzieren oder die öffentliche Hand das Risiko unternehmerischen Handelns trägt.

Die mit dem Transparenzgesetz geschaffene Transparenz wird nunmehr mit Inkrafttreten des 3. NKFWG NRW und der damit einhergehenden Streichung des § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 GO NRW zurückgenommen. Auf kommunaler Ebene ist ein individualisierter Ausweis der Organbezüge nun nicht mehr gefordert, sondern lediglich ein Ausweis für Personengruppen.

Die Verwaltung empfiehlt, die bisherigen Regelungen zum individualisierten Ausweis der Organbezüge in den Gesellschaftsverträgen / Satzungen beizubehalten und lediglich den Verweis auf den weggefallenen § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 GO NRW zu streichen.

 

Die Anlage 2 enthält eine Übersicht über die derzeitigen Regelungen in den Gesellschaftsverträgen / Satzungen und die entsprechenden Anpassungen an die Streichung des § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 GO NRW.

 

 

3. Gremienbeteiligung und Anzeigeverfahren

 

Die Änderung der Gesellschaftsverträge kann gemäß § 53 Abs. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) nur durch Beschluss der Gesellschafter erfolgen. Die Änderung der Satzung einer Aktiengesellschaft bedarf gemäß § 179 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG) eines Beschlusses der Hauptversammlung.

 

Da es sich um eine wesentliche Änderung der Gesellschaftsverträge handelt, dürfen die Vertreter der Gemeinde in einer Gesellschaft, an der Gemeinden, Gemeindeverbände oder Zweckverbände unmittelbar oder mittelbar mit mehr als 25 Prozent beteiligt sind, nur nach vorheriger Entscheidung des Rates zustimmen (§ 108 Abs. 5 lit. b GO NRW).

 

Zudem sind die wesentlichen Änderungen der Gesellschaftsverträge gemäß § 115 Abs. 1 lit. a GO NRW bei der Bezirksregierung Köln als Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Zur Verfahrensvereinfachung können Sammelbeschlüsse und Sammelanzeigen vorgenommen werden.

 

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Auswirkungen

 

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