Kenntnisnahme - E 49/0162/WP18
Grunddaten
- Betreff:
-
"Augmented Reality“ im Krönungssaal
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- E 49 - Kulturbetrieb
- Verfasst von:
- E 49
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Betriebsausschuss Kultur und Theater
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Kenntnisnahme
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30.01.2025
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Erläuterungen
„Krönungssaal 4.0: 1200 Jahre Aachen in Europa mit neuen Augen sehen“
Mitglieder des Rathausvereins sammelten 2023 Erfahrungen mit einer neuartigen, konsequent auf Augmented-Reality-Formate gestützten Hinführung auf eine Besichtigung des Genter Altars, wie es sie bis heute in deutschen Museen und Kulturorganisationen noch nicht gibt. In Gent hat sich die moderne Technik der AR-Anwendungen in der Praxis bewährt; dort wird historisches Wissen innovativ und atemberaubend vermittelt, um neue, vor allem jüngere Zielgruppen zu erschließen.
Das Erlebnis vermittelten Mitglieder des Rathausvereins im Sommer 2024 bei verschiedenen Fahrten nach Gent zudem Frau Oberbürgermeisterin Sybille Keupen, Herrn Kulturdezernent Heinrich Brötz sowie einigen Vertretern des Kulturbetriebs der Stadt Aachen, die sich von der technischen Machbarkeit und Robustheit sowie vom didaktischen Wert wie auch vom Erlebniswert der Anwendung überzeugten und sich eine vergleichbare Anwendung für den Krönungssaal als großen Gewinn für alle Besucher des Aachener Rathauses vorstellen konnten. Die intuitive Zugänglichkeit, interessante Hologramme und Animationen entlang einer soliden Zeitleiste blieben bei einer als angenehm empfundenen Dauer des Aufenthaltes von ca. 40 Minuten im Gedächtnis.
- Augmented Reality (AR) für den Krönungssaal
Das Aachener Rathaus ist ein Ort der europäischen Selbstvergewisserung. Besucher sehen jedoch mit Ausnahme einiger Gemälde und Fresken nur den auratischen, allerdings aus guten Gründen leeren (weil vielfach genutzten) Krönungssaal. AR-Technologie ermöglicht es, die umfangreiche Geschichte in diesen „leeren Räumen“ fesselnd darzustellen und das zu Sehende in lebendige Kontexte einzubetten (z.B. Erschließung der Rethel-Fresken).
Das Konzept basiert auf den Eindrücken aus Gent und könnte so ähnlich im Aachener Rathaus umgesetzt werden. Es sollen nicht nur Inhalte über die Geschichte Aachens und das Aachener Rathaus als Bau vermittelt werden, sondern auch die Bedeutung des Rathauses für die kommunale Selbstverwaltung und für die europäische Geschichte. Die Inhalte sollen historisch richtig, dabei unterhaltsam sowie modern und zielgruppengerecht präsentiert werden.
- Zielgruppen
„Zielgruppe“ sind sämtliche Besucher des Aachener Rathauses, das mit über 67.000 Besuchern im Jahr 2023 eine der größten Attraktionen in Aachen war. Um die im Detail sehr heterogene Zielgruppe mit Breitenwirkung zu erreichen, bedeutet das auf die einzelnen Altersgruppen bezogen:
6-13 Jahre
- Spezielle Kinderführung, Inhalte werden kindgerecht erzählt, andere Schwerpunkte gesetzt.
13-25 Jahre
- Augmented Reality als neue virtuelle Erfahrung spricht Millennials bis Generation Z an.
25-70 Jahre
- Spannende Erzählung relevanter Inhalte sowie „touristische“ Erschließung des Rathauses spricht Familien, Einzeltouristen und Aachener an.
70 plus
- Niederschwellige und intuitive Benutzerführung begeistert besonders ältere Besucher (vgl. Erfahrungen in Gent).
Aus diesen Überlegungen heraus wird angestrebt, eine Kinderführung sowie eine Führung für Erwachsene zu entwickeln, die sämtliche oben genannten Aspekte einlöst. Beides jeweils in vier Sprachen (D/F/NL/GB). Spätere Ergänzungen sind durch einen modular-thematischen Aufbau der AR-Führungen möglich. Eine Einbindung der RWTH Aachen als beratende Instanz in die Planungsprozesse ist vorgesehen; in der Realisierung wird auf robuste, bereits praxiserprobte Anwendungen gesetzt.
- Inhalte
Sämtliche Themen sollen inhaltlich an den Krönungssaal, seine Rolle und seine Ausstattung gebunden sein. Über einzelne Erzählkerne, die konkret im Raum verortet werden können, wird die Bedeutung Aachens, seiner Geschichte und der europäischen Idee transparent. Dabei wird weniger erklärt als erzählt, so dass auf unterhaltsame, aber jederzeit fundierte und seriöse Weise folgende Inhalte vorgestellt werden:
- Karl der Große: Gestalt, historische Bedeutung und Rezeption
- Pfalzanlage
- Rolle des Krönungssaals durch die Jahrhunderte
- Reichsinsignien
- Krönungsmahl Karls V.
- Rethelfresken
- Kriegszerstörung
- Karlspreis
- Aachener Vertrag
- Aachen in Europa: Geschichte und kulturelle Identität
Mit dieser attraktiven Form der Vermittlung lassen sich viele Besucher Aachens erreichen. Ihnen wird die Geschichte des Ortes und seine Bedeutung für Europa und die EU in faszinierender Form nahegebracht. Die AR-Installation im Rathaus wird nicht nur neue Besucher anlocken und die Stadt weiter beleben, sondern auch die Idee einer zukunftsorientierten Gestaltung Europas stärken. Eine Einbindung des Kulturbetriebs in die Erarbeitung der Inhalte ist vorgesehen.
- Ablauf und Infrastruktur
Die Technologie sieht zwingend den Einsatz von AR-Brillen vor. Diese ermöglichen das Einspielen von Informationen bis hin zu kompletten 3D-animierten Spielszenen für Auge und Ohr, jedoch im Unterschied zu VR-Brillen ohne Ausblendung des realen Raumes. Die Orientierung der Nutzer im Raum bleibt nach wie vor uneingeschränkt möglich, die Anwendung kann also auch dann genutzt werden, wenn der Krönungssaal bestuhlt ist. Die technische Implementierung setzt ihrerseits keine sichtbare Installation von Markierungen etc. im Krönungssaal voraus. Es kann bei der Erstellung der Anwendung berücksichtigt werden, welche Flächen nicht permanent zur Verfügung stehen. So sollte der Raum wo ggf. eine Bühne aufgebaut ist, für die Führungen generell nicht genutzt werden. Einschränkungen für Brillenträger bestehen kaum.
Vorgeschlagen wird, mit zunächst ca. 100 bis 120 AR-Brillen zu starten, deren Beschaffung einen wesentlichen Kostenfaktor im Gesamtprojekt darstellt. Die Anschaffung weiterer AR-Brillen soll aus den laufenden Einnahmen finanziert werden.
Ausgabe und Rücknahme der Brillen sowie die Einführung in deren Handhabung erfolgt am Besten vor oder im Krönungssaal selbst durch dafür geschultes Personal. Da der Rathausverein dies als eingetragener, gemeinnütziger Verein nicht leisten kann, da es den Vereinszweck überschreitet, ist ein Betreibermodell mit einem interessierten Dritten erforderlich.
- Betreibermodell
Nach Endabnahme sollen die operativen Prozesse durch einen interessierten Dritten sichergestellt und aus den Einnahmen beglichen werden. Ein solcher „interessierter Dritter“ könnten der Aachen Tourist Service oder der Kulturbetrieb der Stadt Aachen sein, mit denen bereits erste Gespräche geführt wurden. Die Frage der Organisationsstruktur nach Projektabschluss soll bereits vor Anwerbung der Mittel vertraglich geregelt werden, sodass die Folgekosten realistisch geschätzt und die Trägerschaft für den laufenden Betrieb (mithin auch die Verantwortung für Gewinn und Verlust) festgelegt werden können.
Für die Ausgabe und Annahme der Geräte werden bei hoher Besucherfrequenz zwei Personen benötigt. Eine weitere Person (Kasse Rathaus?) sollte den vorgelagerten Ticketverkauf übernehmen. Die Tickets in Gent können vorab online gebucht und bezahlt werden. Ein Papierausdruck ist nicht mehr erforderlich. Bei den Angestellten für die Geräteausgabe und -annahme können Aspekte der Inklusion gut berücksichtigt werden.
In Anlehnung an die Erfahrungen aus Gent ist ein Entgelt für eine Führung in Höhe von 16,- € angemessen. Auf soziale Belange wird bei der Preisgestaltung Rücksicht genommen (besondere Tarife für Schulklassen, Familien etc.). Die so erzielten Einnahmen sollen nach Überlegungen des Rathausvereins aufgeteilt werden für
- das Personal für die Ausgabe und Rücknahme der Geräte sowie den Ticketverkauf
- die Stadt Aachen als Ersatz für die heutigen Eintrittsgelder
- als Einnahme für den Verein. Hieraus werden die Erweiterungs- und Ersatzbeschaffungen der Hardware sowie die Pflege und Erweiterung der Inhalte finanziert.
- Finanzierung
„Krönungssaal 4.0“ ist ein Projekt des Rathausvereins. Die Einwerbung der zur Umsetzung erforderlichen Mittel und ihre rechtskonforme Verausgabung sowie die Beauftragung dafür geeigneter Personen und Firmen obliegt daher ausschließlich dem Verein.
Planungsgröße ist derzeit ein Gesamtetat von 2,5 Mio. €. Dieses Projekt ist finanziell zweifellos ein anspruchsvolles Projekt. Es ist aber auch inhaltlich einzigartig und wird einen nachhaltigen Effekt über viele Jahre haben. Die Finanzierung soll durch die Einwerbung von privaten Sponsorenmitteln in Höhe von 1,5 Mio. € und öffentliche Mittel von 1,0 Mio. € erfolgen. Erste Kontakte zu möglichen privaten Sponsoren bzw. Unternehmen sind vielversprechend, auch wenn hier eine Summe von mindestens jeweils 300.000 € angesprochen wird. Mögliche Unterstützer mit öffentlichen Mitteln könnten der LVR und die EU sein.
Die kalkulierten Kosten sind Bruttokosten. Sie orientieren sich an den Genter Erfahrungen und umfassen das AR Basissystem, die AR Brillen vor Ort, die Entwicklung und technische Umsetzung der viersprachigen Inhalte, die mobilen Aufbewahrungs- und Ladestationen vor Ort. Nicht enthalten sind Aufwendungen für eine besonders gestaltete (verfahrbare?) Ausgabetheke o.ä. sowie die Aufwendungen für eine Werbekampagne. Es ist zu erkennen, dass die Anzahl der VR-Brillen ein wesentlicher Kostenfaktor ist. Dies ist eine Stellschraube für den Fall, dass die Finanzierungsmittel nicht von Anfang an in der geplanten Höhe zur Verfügung stehen. In diesem Fall kann mit einer geringeren Anzahl Brillen gestartet und weitere Brillen können aus den laufenden Einnahmen nachgekauft werden.
In Gent hat sich die Besucherzahl seit Beginn der Führungen mit den AR-Brillen um fast 50% gegenüber vorher gesteigert (von 150.000 auf 220.000 p.a.). Neun von zehn Besuchern wählen dort die Führung mit der AR-Brille.
Da für die Einwerbung der Mittel voraussichtlich Sponsoringabsprachen getroffen werden müssen, ist als Gegenleistung vorgesehen, den Sponsoren die Namensnennung (sofern vorhanden mit Logo) am Ende der AR-Führung zuzusagen. („Diese Führung wurde realisiert mit Unterstützung durch …“) oder ihnen die Nutzung von Teilen des erstellten Contents für firmeninterne Zwecke zu gestatten. Die Platzierung von Werbung oder Produkten im Content-Teil ist nicht vorgesehen; Zusicherungen, die den Status der eigenen Gemeinnützigkeit gefährden könnten, werden seitens des Rathausvereins nicht gemacht.
- Zeitplan
Ein Zeitplan für die Umsetzung wird erstellt, wenn die Finanzierung sichergestellt ist. Nach den Erfahrungen der Firma, welche die Anwendung in Gent realisiert hat, wird es ca. 2 Jahre dauern, bis in den Livebetrieb übergegangen werden kann. In 2025 soll das Projekt vorbereitet sowie geeignete Partner für die softwaretechnische Umsetzung adressiert und ausgewählt werden. Die Umsetzung soll in 2026 starten.
Für die nächsten Wochen stehen seitens des Rathausvereins an:
- Projektbeschluss durch den Vorstand des Rathausvereins nach Kenntnisnahme durch den BaKuTh und in Kenntnis der dortigen Diskussion
- rechtliche Klärung der Organisation in Zusammenarbeit mit der Stadt Aachen
- Identifikation eines interessierten Betreibers und Erarbeitung eines Betreibervertrags
- Etablierung von vier Arbeitsgruppen, die parallel beginnen: Organisation / Finanzen / Inhalt / Kommunikation
