Kenntnisnahme - FB 22/0054/WP18

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Beratungsfolge

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Erläuterungen

 

Die Universitätsstadt Tübingen erhebt seit dem 01.01.2022 eine Steuer auf nichtwiederverwendbare Verpackungen, Geschirr und Besteck, sofern der Verzehr der Speisen oder Getränke nicht unmittelbar an Ort und Stelle erfolgt oder der Verkauf als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk erfolgt.

Bezüglich der weiteren Grundlagen verweise ich auf die beigefügte Satzung der Universitätsstadt Tübingen vom 06.02.2022.

 

Zu prüfen ist, ob die Einführung einer Verbrauchssteuer auf Einwegverpackungen für die Stadt Aachen wirtschaftlich ist. Aus der Perspektive der Verwaltung müssen sowohl positive als auch negative Aspekte betrachtet werden, da diese Steuer eine Vielzahl von Auswirkungen auf die lokale Ebene hat.

 

Positive Aspekte

1. Förderung der Abfallvermeidung: Die Verpackungssteuer könnte Unternehmen dazu motivieren, weniger Verpackungsmaterial zu verwenden und auf nachhaltigere Alternativen umzusteigen. Dies würde langfristig zu weniger Abfall führen und die Belastung der lokalen Entsorgungsinfrastruktur reduzieren.

2. Verstärkte Innovationsanreize: Die Steuer kann Unternehmen dazu anregen, in innovative und wiederverwendbare Verpackungslösungen zu investieren, die umweltfreundlicher sind und die Abfallmengen verringern. Wenn die Stadt solche Initiativen unterstützt, könnte sie von einer nachhaltigeren Abfallwirtschaft profitieren.

3. Öffentliches Bewusstsein und Umweltbewusstsein: Die Steuer könnte das Umweltbewusstsein sowohl in der Bevölkerung als auch bei lokalen Unternehmen steigern.

 

Negative Auswirkungen

1. Verwaltungskosten: Für die Implementierung und Kontrolle der Verpackungssteuer fallen für die Stadt hohe Kosten an. Man kann mit einem Personalaufwand von 2 Mitarbeiter*innen für die Veranlagung (A8), eine Mitarbeiter*in für Stundungen und Widersprüche (A11) und eine Mitarbeiter*in für den Außendienst (A8) rechnen. Die Personalkosten hierfür würden sich auf ungefähr 518.000 € p.a. belaufen (inkl. Arbeitsplatz).

2. Keine zweckgebundene Einnahme: Bei der Verpackungssteuer handelt es sich nicht um eine zweckgebundene Einnahme, da nach § 3 Abgabenordnung (AO) Steuern ein Instrument zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs sind. Fraglich ist, inwieweit diese Einnahme Auswirkungen auf die städtische Gebührenkalkulation hat.

3. Keine Differenzierung bei dem Verpackungsmaterial: Die Verpackungssteuersatzung erfasst Einwegverpackungen unabhängig von der Art des Materials. So wird eine Verpackung aus Recyclingmaterial oder aus Palmblättern in gleicher Höhe besteuert wie Verpackungen aus Plastik. Diese mangelnde Differenzierung widerspricht dem ökologischen Gedanken.

4. Mangelnde Steuertransparenz und Missbrauchsmöglichkeiten: Die Satzung der Universitätsstadt Tübingen wird durch die beigefügten Auslegungshinweise näher erläutert. Alleine die Tatsache, dass zu dem Thema „Steuergegenstand“ 11 Seiten Auslegungshinweise verfasst worden, spricht für die Komplexität der Steuer. So wird zum Beispiel bei Pizzen (im Pizzakarton), die geliefert werden keine Verpackungssteuer erhoben, holt der Verbraucher dieselbe Pizza jedoch ab, fällt Verpackungssteuer an, obwohl die Verpackungsbelastung gleich ist.

5. Unklarheiten bei der Klassifikation von Mehrweg: Die Fragestellung wann ist Mehrweg wirklich Mehrweg im Sinne der Satzung stellt die Verwaltung vor große Herausforderungen. Mehrweg wird laut Auslegungshinweisen zur Satzung der Stadt Tübingen aufgrund der Beschaffenheit des Verpackungsmaterials sowie der Zweckbestimmung des mehrfachen bzw. langfristigen Gebrauchs klassifiziert. Welche Anforderungen genau an eine Mehrwegverpackung gestellt werden (wie oft ist mehrfach? reicht hierfür der zweifache Gebrauch? Wie lange ist langfristig?) sind unklar und nur schwer einzuschätzen. Zu unterscheiden ist zwischen nicht wiederverwendbar (=steuerpflichtig) und wiederverwendbar (=steuerfrei), ohne dass die ökologische Nachhaltigkeit geprüft werden kann.

Eine negative Auswirkung der Unklarheiten wäre die verstärkte Verwendung von schwer recycelbaren Mehrwegverpackungen, die in der Produktion mehr Ressourcen verbrauchen oder für die Entsorgung problematischer sind.

6. Unterscheidung zwischen warmen und kalten Speisen: Warme Speisen unterliegen in der Regel der Verpackungssteuer, kalte Speisen wiederrum nur, wenn man typischerweise davon ausgehen kann, dass der Verzehr zeitnah nach dem Kauf erfolgt. Laut Auslegungshinweisen der Stadt Tübingen kann man von einem zeitnahen Verzehr ausgehen, wenn die kalte Speise mit Besteck verkauft wird.

7. § 2 Kommunalabgabensatzung NRW (KAG): Nach § 2 Abs. 2 KAG bedarf es zur Wirksamkeit einer Satzung, mit der eine Steuer erstmalig in NRW eingeführt werden soll, eine Genehmigung des Innenministeriums und des Finanzministeriums. Da es bisher in NRW noch keine solche Verpackungssteuersatzung gibt, müsste diese Genehmigung beim Innenministerium und dem Finanzministerium vor Einführung eingeholt werden.

 

Zusammenfassung

Aus Sicht der Verwaltung bringt die Verpackungssteuer sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich.

 

Zu den Herausforderungen zählen insbesondere der immense Bürokratieaufwand, die potenziellen Belastungen für lokale Unternehmen und die sozialen Auswirkungen auf Verbraucher. Ein weiterer unerwünschter Nebeneffekt der Verpackungssteuer könnten Wettbewerbsnachteile für kleinere Firmen sein.

Die mangelnde Steuertransparenz sowie die Missbrauchsmöglichkeiten sind problematisch. Probleme könnten die personalintensiven Kontrollen und somit die Durchsetzung der Steuer sowie das Risiko von unabsehbaren Rechtsstreitigkeiten sein.

 

Fachlich-inhaltliche Bewertung von Dezernat VII

Nach einer aktuellen Erhebung der Deutschen Umwelthilfe besteht der Straßenabfall – bestehend aus „to-go-Bechern“, Pizzakartons etc. – zu etwa 40 % aus Einwegverpackungen. Der Bundesgesetzgeber versucht auf Basis europäischer Rechtsvorschriften, durch den Erlass der Einwegkunststoffverbotsverordnung und des Einwegkunststofffondsgesetzes der wachsenden Innenstadtvermüllung beizukommen. Die genannten Vorschriften reglementieren Einwegkunststoffe, das erstmalige Inverkehrbringen wird unterbunden. Die Verpackungssteuer nach dem Tübinger Modell ergänzt diese Vorschriften, da sie für alle Verpackungsmaterialien aus der Einwegkategorie gilt und nicht nur das erstmalige Inverkehrbringen mit diesen geregelt wird.

 

Eine kommunale Verpackungssteuer kann einen Anreiz und eine Lenkungswirkung schaffen, um Einwegverpackungen aus diversen Materialien zu vermeiden und Mehrwegsysteme zu fördern. Die Littering-Problematik in Aachen ist an einzelnen Standorten (Hotspots) deutlich zu erkennen. Es bleibt zu prüfen, ob die gewünschten Effekte, die Förderung von Mehrwegsystemen und die Reduzierung von Littering, auch mit anderen Maßnahmen erzielt werden können, wie bspw. mit einer stadtweiten Studie zur Identifizierung der Hotspots und der dort nötigen Handlungsbedarfe. Eine weitere fachliche Betrachtung der Sachlage sowie eine wirtschaftliche und fiskalische Abwägung der möglichen Optionen werden als sinnvoll erachtet. Zudem greift im Laufe des Jahres 2025 das bundesweite System des Einwegkunststofffondgesetzes erstmalig, sodass die Auswirkungen dieser Maßnahme noch nicht bewertet werden können. Eine bundesweite Regelung, eine Form der Verpackungssteuer einführen zu können, wäre begrüßenswert.

 

Eine detaillierte Ausarbeitung zum Thema kann im Rahmen der Beantwortung des Ratsantrags der Fraktion Die Zukunft weiter ausdiskutiert werden.

 

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Anlagen

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