Kenntnisnahme - FB 56/0603/WP18
Grunddaten
- Betreff:
-
Tagesordnungsantrag der Fraktion Die Linke vom 11.03.2025 - Situation obdachloser Frauen in Aachen
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- FB 56 - Fachbereich Wohnen, Soziales und Integration
- Verfasst von:
- DEZ VI, FB 56/500
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Ausschuss für Soziales, Integration und Demographie
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Kenntnisnahme
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03.04.2025
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Erläuterungen
Mit dem Tagesordnungsantrag der Fraktion Die Linke „Situation obdachloser Frauen in Aachen“ vom 11.03.2025 wird die Verwaltung gebeten,
- zur Entwicklung der Anzahl betroffener Frauen in den letzten fünf Jahren
- zu den Gründen für Wohnungslosigkeit von Frauen
- zu den vorhandenen Hilfsangeboten
- zu den spezifischen Herausforderungen für obdachlose Frauen, eventuell bestehenden Versorgungslücken und kommunalen Lösungsansätzen
zu berichten.
Entwicklung der Anzahl betroffener Frauen in den letzten fünf Jahren
Die Zahl der in den städtischen Übergangsheimen untergebrachten Frauen (alleinstehend oder im Familienverband) hat sich in den vergangenen Jahren wie folgt entwickelt:
30.06.2020: 113 (von insgesamt 386 Personen)
30.06.2021: 124 (von insgesamt 387 Personen)
30.06.2022: 122 (von insgesamt 404 Personen)
30.06.2023: 145 (von insgesamt 453 Personen)
30.06.2024: 139 (von insgesamt 431 Personen)
Ihr Anteil an der gesamten Anzahl der untergebrachten Menschen betrug kontinuierlich zwischen 29 und 32%.
Gründe für die Wohnungslosigkeit von Frauen
Die Gründe für Wohnungslosigkeit von Frauen sind vielfältig. Neben den Kündigungen von Seiten der Vermieter*innen z.B. auf Grund von Eigenbedarf oder von Fehlverhalten der Mietparteien, erfolgen viele Kündigungen auf Grund bestehender Mietrückstände der Mieterinnen. Die Gründe für das Aufkommen/Entstehen von Mietrückständen können sowohl finanzieller, als auch persönlicher Natur sein. Die Probleme haben unterschiedlichste Ursachen wie z.B. Trennungen, Suchterkrankungen oder Überschuldung. Häufig entstehen Schwierigkeiten, wenn Einkommen wegfällt oder sich verringert und Transferleistungen notwendig werden.
Vorhandene Hilfsangebote
In Aachen gibt es zahlreiche präventive Angebote, um alle von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen, unabhängig vom Geschlecht, zu unterstützen. So gibt es die Möglichkeit, beim Fachbereich Wohnen, Soziales und Integration (FB 56) einen Antrag auf Übernahme von Mietrückständen bei der Wohnungssicherungshilfe zu stellen. Hier wird geprüft, ob durch die zuschussweise oder darlehensweise Übernahme der Mietrückstände eine Zwangsräumung verhindert werden kann. Die Wohnungssicherungshilfe kann auch schon tätig werden, wenn die Zwangsräumung droht. Zuständig für die Personen, die Leistungen nach dem SGB II erhalten, ist das JobCenter der StädteRegion Aachen. Hier ist auch die durch das Land NRW im Rahmen des Projekts „Endlich ein Zuhause“ geförderte Stelle eines Kümmerers angesiedelt. Um sich im Sinne der betroffenen Menschen bestmöglich auszutauschen und eine einheitliche Verfahrensweise zu erreichen, haben das JobCenter der StädteRegion, die gewoge AG und der FB 56 eine Kooperationsvereinbarung geschlossen.
Um Wohnungslosigkeit frühzeitig zu verhindern, ist durch interne Regelungen sichergestellt, dass auch das Team der Wohnungsvermittlung und Wohnberechtigungsscheine über die Erhebung einer Räumungsklage informiert wird. Voraussetzung für eine Vermittlung sind jedoch die Wohnberechtigung, also der Erhalt oder Besitz eines Wohnberechtigungsscheines, und die Verfügbarkeit von öffentlich gefördertem oder städtischem freiem Wohnraum. Im Fall der Zwangsräumung kümmern sich die Mitarbeitenden um den wohnungssuchenden Haushalt und versuchen, diesen schnellstmöglich in eine freie Wohnung zu vermitteln. Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes ist dies jedoch oftmals erst mit einem zeitlichen Versatz möglich und kann durch Umstände, die in den wohnungssuchenden Personen liegen, oder durch Vorbehalte möglicher Vermieter*innen erschwert werden.
Ergänzend zu den behördlichen Unterstützungsmöglichkeiten bieten auch die Fachberatungsstellen von Caritas und WABe e.V. Beratung und Unterstützung für Menschen an, die wohnungslos bzw. von Wohnungsverlust bedroht sind oder in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben. Zu diesen Hilfen zählen (präventive) Informations- und Interventionsmaßnahmen bei drohender Wohnungskündigung, Räumungsklage oder Zwangsräumungen, um nach Möglichkeit bisherige Wohnungen zu erhalten. Zudem beraten die Fachberatungsstellen bei bereits entstandenen Mietrückständen, klären Möglichkeiten der Mietschuldenübernahme und unterstützen auch im Kontakt mit Vermietenden und Behörden, mit dem Ziel, Wohnungslosigkeit zu verhindern. Neben der sozialen Beratung erfolgt auch die aktive Unterstützung bei der Wohnungssuche.
Ist Wohnungslosigkeit eingetreten, besteht ein Anspruch auf ordnungsrechtliche Unterbringung. Hierzu unterhält die Stadt Aachen insgesamt 9 Übergangswohneinrichtungen und zahlreiche Einzelwohnungen für wohnungslose Menschen. Eines dieser Objekte (Leydelstr.) mit insgesamt 15 Plätzen für psychisch kranke Wohnungslose wird im Wege einer Kooperation mit den Alexianern betreut (Wohnhotel). Durch engmaschige soziale Betreuung werden die Menschen intensiv dabei unterstützt, unter Berücksichtigung ihres Krankheitsbildes die Wohnungslosigkeit zu überwinden. Zusätzlich wird das Haus Lintertstr. 29 in Kooperation mit verschiedenen Trägern ebenfalls zur Unterbringung von wohnungslosen Menschen, z. T. mit eigenen Mietverträgen, genutzt (Clearingstelle der WABe, ambulant betreutes Wohnen Caritas und Träger der BeWo-Anbieterkonferenz).
In der überwiegenden Anzahl handelt es sich bei den städtischen Unterkünften um klassische
Mehrfamilienhäuser, in denen Mütter mit Kindern in abgeschlossenen Wohnungen untergebracht werden.
Alleinstehende Frauen werden in Einzel- oder Mehrbettzimmern untergebracht und nutzen gemeinschaftlich die Küche und das Bad der jeweiligen Wohnungen. Darüber hinaus gibt es auch Übergangswohneinrichtungen mit
Apartments sowie Kleinwohnungen, in denen alleinstehende Frauen untergebracht werden. Frauen oder alleinerziehende Mütter, bei denen der Unterstützungsbedarf gering eingeschätzt wird, werden vermehrt in städtischen oder angemieteten Einzelwohnungen untergebracht.
Die Bewohnerinnen der Übergangswohneinrichtungen und der zur Verfügung gestellten Einzelwohnungen werden durch den städtischen Sozialdienst betreut. Ein/e Sozialarbeiter/in ist zuständig für 50 Alleinstehende oder 75 Personen, die im Familienverband leben. Ziel ist es, die Bewohner*innen bei der Bewältigung der bestehenden besonderen sozialen Schwierigkeiten zu unterstützen, um zukünftig wieder eine reguläre Wohnung beziehen zu können. Der städtische Sozialdienst berät die Klient*innen allgemein und vermittelt im Bedarfsfall an weitergehende Hilfsangebote verschiedener Träger. Falls nötig, werden die betroffenen Personen bei der Inanspruchnahme der Hilfen auch persönlich begleitet. In allen Übergangsheimen sind zudem städtische Hausmeister*innen im Einsatz, die insbesondere für die Ausstattung der Wohnungen, die Einhaltung der Hausordnung sowie die Sauberkeit und Sicherheit der Einrichtung zuständig sind.
Die Aufnahme in den städtischen Unterkünften erfolgt von montags bis freitags. Sollte Obdachlosigkeit außerhalb der Sprechzeiten des Fachbereiches Wohnen, Soziales und Integration eintreten, sind sowohl die Kräfte der Polizei auch die Kolleg*innen der Feuerwehr in Aachen autorisiert, eine Hotelunterbringung vorzunehmen. Die Kostenzusage wird in diesen Fällen bis zum nächsten Werktag mit dem Hinweis auf die sodann erforderliche Vorsprache bei der Verwaltung erteilt. Bei diesem Gespräch werden die individuellen Bedarfe der Betroffenen geklärt und ein möglichst passgenaues Unterbringungsangebot unterbreitet.
Neben dem Angebot, in einem städtischen Übergangsheim untergebracht zu werden, gibt es für
Menschen, die wohnungslos oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind, eine Vielzahl weiterer Hilfen.
Die Angebote reichen von sozialer Beratung und der Vermittlung weitergehender Hilfen über die
Einrichtung einer Postadresse, Tagestreffs mit Getränken und dem Angebot von Mahlzeiten, Duschmöglichkeiten, Nutzung von Waschmaschinen bis zur kostenlosen Nutzung der städtisch finanzierten Notschlafstelle in der Reumontstr. Sollten hier schwangere Frauen oder Mütter mit Kindern vorsprechen, wird ihnen mit Unterstützung der Rettungskräfte ebenfalls eine Hotelunterbringung ermöglicht.
Damit stehen auch unabhängig von der Unterbringung in städtischen Unterkünften nahezu rund um die Uhr Aufenthaltsmöglichkeiten zur Verfügung. Zudem erfolgt im Stadtgebiet Aachen aufsuchende soziale Arbeit von Streetworkern der WABe, des Caritasverbands und des Fachbereichs Kinder, Jugend und Schule. Eine Vernetzung aller im Bereich der Wohnungslosenhilfen engagierten Träger und Institutionen erfolgt in den monatlichen Treffen des Arbeitskreises niederschwellige Hilfen (Teilnehmer: Caritas mit Café Plattform und Notschlafstelle sowie Streetwork der Suchthilfe, WABe mit Wärmestube und Fachberatungsstelle für Frauen sowie Streetwork, Bahnhofsmission, Bewährungshilfe, Sozialdienst JVA, JobCenter, sozialpsychiatrischer Dienst der StädteRegion, Alexianer Aachen GmbH bzw. Dernbacher Gruppe Katharina Kasper, Schervierstube, Streetwork des Fachbereichs Kinder, Jugend und Schule, Sozialdienst des Fachbereichs Wohnen, Soziales und Integration).
Seit dem 01.02.2025 ist die durch das Integrierte Konzept für Attraktivität und Sicherheit eingerichtete Koordinierungsstelle Straßensozialarbeit im Fachbereich Wohnen, Soziales & Integration besetzt. Zeitnah wird die Einstellung von zwei Streetworker*innen erfolgen, die ebenfalls aufsuchende soziale Arbeit im Stadtgebiet durchführen werden. Im Rahmen der aufsuchenden Straßensozialarbeit werden Beratungs-, Vermittlungs- und Begleitungsangebote erbracht, um ein weiteres niedrigschwelliges, lebensweltorientiertes Unterstützungssystem zu schaffen.
Spezifische Herausforderungen für obdachlose Frauen, eventuell bestehende Versorgungslücken und kommunale Lösungsansätze
In der beigefügten Stellungnahme des Arbeitskreises Niedrigschwelligkeit wird ausgeführt, dass wohnungslose Frauen vor besonderen Herausforderungen stehen und einem hohen Risiko für Gewalt, Ausbeutung und soziale Isolation ausgesetzt sind. Daher sei eine gendersensible, bedarfsgerechte Unterstützung unerlässlich.
Diesem Anspruch versuchen die im Bereich der Wohnungslosenhilfe tätigen Träger ebenso wie die Verwaltung bestmöglich gerecht zu werden.
So gibt es verschiedene frauenspezifische Beratungs- und Unterstützungsangebote zu den Themen Wohnungslosigkeit (einschließlich Geldverwaltung, Postadresse, Tagestreff, Waschmöglichkeiten, ambulant betreute Wohnkonzepte) und Sexarbeit (Projekt LIANE).
Die geschlechtergetrennte Unterbringung und die Möglichkeit, abgeschlossene Wohneinheiten zuzuweisen, gibt der Verwaltung die Möglichkeit, bedarfsgerecht Wohnmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Schwangere und alleinerziehende Mütter stehen im besonderen Fokus bei der Auswahl der zur Verfügung stehenden Unterkünfte.
Diese Angebote werden durch die vom WABe e.V. betreute Clearing-Wohnung für Frauen (auch mit Kindern) in dem städtischen Objekt Lintertstr. sowie die städtisch finanzierte Notschlafstelle des Caritasverbands in der Reumontstr. ergänzt. Am ursprünglichen Standort der Notschlafstelle in der Hermannstr. konnte aufgrund der engen Räumlichkeiten kein gesondertes Platzangebot für Frauen vorgehalten werden, dies ist erst seit dem interimsweisen Umzug in die Beginenstr. und anschließend in die Reumontstr. möglich. Im Rahmen des Umbaus des Erweiterungsbaus des Objekts Beginenstr. werden in der künftig wieder dort verorteten Notschlafstelle separate Schlaf- und Sanitärräume für Frauen vorgesehen. Mit der zusätzlichen Möglichkeit der Hotelunterbringung durch die Rettungskräfte bei der Polizei und der Feuerwehr ist die Versorgung in der Stadt Aachen auch für Frauen umfassend sichergestellt. Das vorstehende Angebot besteht ganzjährig, so dass niemand draußen schlafen muss - weder bei warmen noch bei kalten Temperaturen. Die Zugänge ins Hilfesystem sind zahlreich, vielfältig und niederschwellig.
Das von der Sozialpolitik initiierte Projekt Wohnen jetzt! HOUSING FIRST AACHEN wird aktuell durch die Träger WABe e. V. und Caritasverband umgesetzt. Auch in diesem Projekt finden nach dem perspektivisch zu evaluierenden Konzept wohnungslose Frauen besondere Bedeutung.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass es in Aachen ein umfassendes Hilfsangebot für alle von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen gibt. Zudem gibt es eine Vielzahl von Angeboten, die auf den besonderen Bedarf obdachloser Frauen abgestimmt sind. Zahlreiche psychosoziale Unterstützungs- und Beratungsangebote helfen den Betroffenen, ihre multiplen Problemlagen anzugehen. Die zur Verfügung stehenden Unterbringungsmöglichkeiten werden unter besonderer Berücksichtigung der persönlichen Belange der Betroffenen möglichst passgenau zur Verfügung zu gestellt.
Dennoch wird die Unterbringung und Versorgung obdachloser Menschen zunehmend herausfordernder und bringt die in diesem Bereich tätigen Mitarbeitenden immer wieder an ihre Grenzen. Insbesondere die Aufnahme und Betreuung mobil eingeschränkter und pflegebedürftiger Menschen, aber auch immer jüngerer, häufig aus der Jugendhilfe entlassener Personen sowie alte Menschen, die aufgrund ihres Verhaltens zwangsgeräumt werden, stellt die involvierten Akteure vor massive Probleme. Es sind daher weiterhin alle Anstrengungen zu unternehmen, die Hilfen auszubauen und perspektivisch die Vermittlung in die jeweils erforderlichen (teil-) stationären Einrichtungen zu erreichen.
Anlagen
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