Kenntnisnahme - FB 22/0055/WP18

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Beratungsfolge

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Erläuterungen

 

Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung vom 30. November 2019 wurde den Kommunen ab dem 01.01.2025 die Möglichkeit eröffnet, aus städtebaulichen Gründen eine Grundsteuer C mit erhöhtem Hebesatz für baureife Grundstücke einzuführen.

Die Grundsteuer C soll die Spekulation mit Bauland verteuern und finanzielle Anreize schaffen, auf baureifen Grundstücken tatsächlich auch die Bebauung zu mobilisieren und Wohnraum zu errichten.

 

Für die Grundsteuer C geeignet sind unbebaute und erschlossene Grundstücke, entsprechend der Definition für baureife Grundstücke. Die planungsrechtliche Bebaubarkeit muss bei der Prüfung hinsichtlich der Erhebung der Grundsteuer C demzufolge bei jeder potenziellen Fläche geprüft werden. Ebenso ist die bauordnungsrechtliche Bebaubarkeit zu prüfen.

 

Die Erhebung der Grundsteuer C und die damit verbundene zusätzliche, grundsteuerliche Belastung von baureifen aber brachliegenden Baulandgrundstücken wird als Instrument zur Mobilisierung von Bauland eingeordnet. Die in § 25 Abs. 5 GrStG benannten beispielhaften städtebaulichen Gründe, die zur Einführung der Grundsteuer C in Betracht kommen sind:

- die Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten sowie Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen,

- die Nachverdichtung bestehender Siedlungsstrukturen oder

- die Stärkung der Innenentwicklung.

 

Somit sieht der Gesetzestext die Erstellung einer Allgemeinverfügung bezogen auf die von der Grundsteuer C betroffenen Grundstücken die Überprüfung des Grundstückzustands und die Darlegung der städtebaulichen Gründe zur Erhebung der Grundsteuer C vor.

 

Die Einführung einer Grundsteuer C wurde durch die Verwaltung intensiv geprüft und die Nutzung dieser Möglichkeit erscheint der Verwaltung aus folgenden Gründen als nicht zielführend:

 

  1. Bereits die Anfang der 1960er Jahre eingeführte Baulandsteuer hatte eine nahezu identische Zielsetzung. Diese wurde aber bereits kurz nach ihrem Inkrafttreten wieder abgeschafft.
    Die damaligen Gründe sind auf die Neuregelung der Grundsteuer C durchaus übertragbar.
    So ist es auch heute fraglich, ob mit der neuen Grundsteuer C die Bebauung von baureifen Grundstücken tatsächlich beschleunigt und dringend benötigter Wohnraum so geschaffen werden kann. Die Steuer differenziert gerade nicht zwischen Investoren und Unternehmen, die Grundstücke zu Spekulationszwecken erwerben und Privatpersonen, die Grundstücke mit dem Ziel der späteren Bebauung mit einem Eigenheim erworben haben. Die zusätzliche Besteuerung des Grundstücks wird finanziell schwache Eigentümer*innen stärker belasten als finanziell starke Eigentümer*innen.
    Mögliche Härten können auch daraus erwachsen, dass die Heranziehung zu einer erhöhten Grundsteuer C erst mit Fertigstellung des Gebäudes endet, obwohl spätestens durch die Beantragung der Baugenehmigung der Bauwille zum Ausdruck gebracht wird. Keine Berücksichtigung finden zudem Bauverzögerungen, die der Eigentümer/die Eigentümerin gar nicht zu vertreten hat, wie z.B. Vertragsausführungsstreitigkeiten oder Baumateriallieferschwierigkeiten.
    Auch die legitime Vorhaltung von Baugrundstücken für die eigenen Kinder begründet keine Ausnahme von der erhöhten Besteuerung.
    Somit bestehen erhebliche Zweifel, ob mit der neuen Grundsteuer C die richtige Zielgruppe adressiert bzw. zum Handeln bewegt wird. Schlimmstenfalls könnten vornehmlich private Grundstückseigentümer*innen aufgrund des finanziellen Drucks gezwungen sein, ihr Bauvorhaben aufzugeben und ihre Grundstücke wieder zu verkaufen, obwohl sie doch eigentlich bauwillig sind. Blickt man auf die damalige Baulandsteuer und die Gründe für ihre rasche Abschaffung, lässt sich an der Geeignetheit der ähnlich konstruierten neuen Grundsteuer C zweifeln. Bereits damals wurden vornehmlich private Grundstückseigentümer*innen von der höheren Besteuerung erfasst und zum Verkauf ihrer Grundstücke gezwungen, da sie vielfach die höhere Steuerlast nicht tragen konnten. Dies befeuerte damit tendenziell noch die Grundstücksspekulation, die gerade durch die erhöhte Besteuerung verhindert werden sollte. Eine, wenn auch unbeabsichtigte Förderung der Grundstücksspekulation muss daher auch im Zuge einer eventuellen Einführung der neuen Grundsteuer C in der Stadt Aachen befürchtet werden.
    Die etwaigen „Immobilienspekulanten“ bebauen das Grundstück nicht, sondern geben die Mehrkosten durch die Grundsteuer C im Endverkaufspreis weiter.
     
  2. Ein nicht unerheblicher Teil der aktuell bebaubaren, jedoch nicht bebauten Flächen im Stadtgebiet befindet sich im Eigentum der Stadt Aachen selbst (40). Die Einführung der Grundsteuer C würde somit auch zu einer entsprechenden Erhöhung der eigenen Belastung führen.
     
  3. Die Einführung der Grundsteuer C wäre mit einem erheblichen und jährlich anfallenden Verwaltungsaufwand verbunden (Definierung und Ermittlung jedes einzelnen bebaubaren jedoch unbebauten Grundstücks im definierten Stadtgebiet, Durchführung der Veranlagung, Abwicklung hierauf folgender Rechtsstreitigkeiten usw.). Um zum einen dementsprechende Mehreinnahmen zu erzielen und zum anderen auch einen effektiven Druck zur Bebauung der Grundstücke aufzubauen, müsste der Hebesatz der Grundsteuer C deutlich höher sein als der der Grundsteuer B.
    Seitens des Fachbereichs Geoinformation und Bodenordnung erfolgte eine grobe Voranalyse der potenziell bebaubaren und in Privateigentum befindlichen Flurstücke (375) sowie der hierfür auf Grundlage der Bodenrichtwerte anzunehmenden Grundsteuermessbeträge. Ausgehend von diesen Daten wäre zwecks Erreichung einer Mehreinnahme von 500.000 €/pro Jahr für die Grundsteuer C (für nicht in städtischem Eigentum befindliche Flurstücke) ein Hebesatz von ca. 1.732 v.H. notwendig. Nicht berücksichtig hierbei sind die durch die Einführung der Grundsteuer C zusätzlich entstehenden jährlich Verwaltungskosten (derzeit noch nicht kalkulierbar), welche zu einem noch höheren Hebesatz führen würden. Die Grundsteuerlast würde sich hierdurch in den betroffenen Fällen mindestens verdreifachen.
    Dies würde den unter Punkt 1. beschriebenen Effekt noch einmal potenzieren.
    Auch wäre zumindest fraglich, ob bei einer solchen Mehrbelastung noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bliebe und auch keine sogenannte „erdrosselnde Wirkung“ eintritt.
     
  4. Bereits jetzt – ohne die Einführung der Grundsteuer C - hat sich die Grundsteuerlast für unbebaute Grundstücke um 183 % gegenüber 2024 erhöht. Die Eigentümer*innen dieser Grundstücke müssen in Summe nun ca. 1 Mio. € mehr zahlen als noch im Jahr 2024 (2024: 555.431 €; 2025: 1.571.687 €).
    Im Kontext der aktuellen Situation mit hohen Finanzierungskosten für den Wohnungsbau, steigenden Material- und Energiekosten sowie der weiterhin hohen Inflation, wird die Einführung einer zusätzlich darüber hinausgehenden steuerlichen Belastung auf Grundbesitz als kritisch beurteilt.
     
  5. Die aktuelle gesetzliche Regelung enthält einige unbestimmte Rechtsbegriffe, die perspektivisch erst noch durch entsprechende Rechtsprechung ausgefüllt werden müssen.
    1. Insbesondere der Begriff „bebaubares Grundstück“ ist nicht hinlänglich definiert. Aus der Formulierung des § 25 Abs. 5 Satz 2 GrStG geht hervor, dass zunächst zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen:
      • unbebautes Grundstück i.S.d. § 246 BewG und
      • Baureife des Grundstücks.
      Gemäß § 246 Abs. 1 Satz 1 BewG handelt es sich um ein unbebautes Grundstück, wenn sich keine nutzbaren Gebäude darauf befinden. Die Bebauung eines Grundstücks mit Nicht-Wohngebäuden schließt die Anwendung der Grundsteuer C in der Regel aus, da das Grundstück in der Folge nicht mehr unbebaut ist. Auch die Errichtung von Garagen- oder Nebengebäuden dürften der Erhebung einer durch den gesonderten Hebesatz erhöhten Grundsteuer entgegenstehen. Hierdurch könnte die Hauptzielsetzung – zeitnahe Schaffung von Wohnraum – gerade von Spekulanten vollständig unterlaufen werden.
      Weiter muss das Grundstück auch baureif sein. Für die Baureife legt § 25 Abs. 5 Satz 2 GrStG fest, dass es nach Lage, Form, Größe und seinem sonstigen tatsächlichen Zustand sowie nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften sofort bebaut werden könnte. Eine erforderliche, aber noch nicht erteilte Baugenehmigung sowie zivilrechtliche Gründe, die einer sofortigen Bebauung entgegenstehen, sind unbeachtlich. Baureifes Land muss durch Verkehrsanlagen und Versorgungseinrichtungen für die Bebauung in ortsüblicher Weise ausreichend erschlossen sein, so dass eine Bebauung sofort möglich ist.
      Zwar kann für die Auslegung der im Gesetz genannten Einzelkriterien potenziell die bestehende Rechtsprechung zum Baurecht herangezogen werden, jedoch ist zu befürchten, dass dennoch viel Raum für langfristige Rechtsstreitigkeiten bleibt, deren Ausgang offen ist.
      Darüber hinaus fallen aufgrund der Definition eines „unbebauten, baureifen“ Grundstücks im bewertungsrechtlichen Sinne, zahlreiche mindergenutzte Grundstücke nicht unter die Grundsteuer C. Zu den Grundstücken mit nicht benutzbaren Gebäuden, die ebenfalls als unbebaut und baureif gelten können, sind keine Datensätze vorhanden.
      Ob ein Grundstück formal als unbebaut gilt, liegt nicht in der Entscheidungsgewalt der Kommunen, sondern obliegt dem Finanzamt im Rahmen der Grundsteuerwertfeststellung.
       
    2. § 25 Abs. 5 Satz 1 GrStG legt fest, dass eine abweichende Besteuerung baureifer Grundstücke nur aus städtebaulichen Gründen erfolgen kann. Städtebauliche Gründe umfassen u.a. die Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohnstätten.
      Es ist allerdings fraglich, welche Anforderungen an einen qualifizierten „erhöhten“ Wohnbedarf zu stellen sind und inwieweit dieser von einem normalen Bedarf abweicht. Zum jetzigen Zeitpunkt kann daher nur gemutmaßt werden, welche Aspekte die Gerichte berücksichtigen könnten, um zu überprüfen, ob die von der jeweiligen Gemeinde dargelegten städtebaulichen Gründe für die Festlegung eines erhöhten Grundsteuerhebesatzes für ein bestimmtes Stadtgebiet ausreichend sind.

Somit stellt eine einzuführende Grundsteuer C aktuell ein erhebliches Risiko für Widersprüche und Klagen dar. Die Hebesatzsatzung würde hierdurch unnötig angreifbar gemacht.

 

  1. Selbst wenn die Grundsteuer C für das gesamte Stadtgebiet erhoben werden soll, müssen die betroffenen Gebiete grundstücksgenau jährlich durch Allgemeinverfügung festgelegt werden. Dies bedeutet einerseits einen jährlich wiederkehrenden erheblichen Aufwand. Andererseits entspricht diese Allgemeinverfügung einem Grundlagenbescheid, gegen den betroffene Grundstückseigentümer*innen nach Erhalt des hierauf basierenden Grundsteuerbescheides kein Rechtsmittel mehr einlegen können.
    Zur Wahrung ihrer Interessen müssten Grundstückseigentümer*innen im Zweifelsfall daher schon gegen diese Allgemeinverfügungen Rechtsmittel einlegen. Es muss daher damit gerechnet werden, dass jährlich schon nach Erlass der Allgemeinverfügung zunächst eine Vielzahl von Rechtsbehelfsverfahren abgewickelt werden müssen, bevor überhaupt die Veranlagung der Grundsteuer C durchgeführt werden kann.
     
  2. Im Zuge der Prüfung der Grundsteuer C als Instrument zur Mobilisierung von Bauland fanden Austauschtermine mit Kommunen in NRW in verschiedenen Formaten wie dem Städtetag NRW statt. Es zeigte sich, dass sich nur sehr wenige Kommunen in NRW mit einer intensiven Prüfung der Grundsteuer C befassen. Seitens der wenigen Kommunen, die sich mit einer Prüfung der Einführung der Grundsteuer C befasst haben, werden die Einschätzungen der Stadt Aachen zu den rechtlichen Bedenken und der vermutlich geringen Mobilisierungswirkung geteilt. Die Grundsteuer C wurde unter anderem aus den genannten Gründen bislang durch keine einzige Großstadt in NRW eingeführt. Insbesondere die Stadt Düsseldorf hat mit dem erklärten Ziel der Einführung der Grundsteuer C eine interdisziplinär aus allen betroffenen Verwaltungsbereichen besetzte Arbeitsgruppe geschaffen, die über ein Jahr lang intensiv die Möglichkeiten und den Aufwand einer Einführung geprüft hat. Im Ergebnis hat dann jedoch auch die Stadt Düsseldorf entgegen ihrer ursprünglichen Absicht auf die Einführung der Grundsteuer C verzichtet.

 

Grobe Voranalyse der potenziell bebaubaren Flurstücke seitens des Fachbereichs Geoinformation und Bodenordnung (FB 62):

Die Auswertung beinhaltet die Baulandpotentiale aus dem Baulandkataster und in diesem sind wohnbaulich nutzbare Flächen erfasst, die sofort oder in absehbarer Zeit bebaut werden können. Für die Aufnahme in das Baulandkataster wurde neben einer Mindestgröße der Flächen auch die planungsrechtliche Situation geprüft. Andere Aspekte, die einer Bebauung entgegenstehen könnten, wurden bei der Aufstellung des Baulandkatasters nicht untersucht.

 

Es wurden 415 potenziell Grundsteuer C-fähige Grundstücke mit einer Gesamtfläche von ca. 261 T m² identifiziert. Davon befinden sich ca. 10 % in städtischem Eigentum.

 

Städtische Flurstücke:

Gemarkung

Flurstücksfläche

Anzahl

Innenstadt

6.239

4

Burtscheid

6.910

2

Eilendorf

4.149

4

Haaren

1.024

2

Kornelimünster

15.071

20

Laurensberg

581

1

Lichtenbusch

1.939

7

Insgesamt

35.913

40

 

Private Flurstücke:

Gemarkung

Flurstücksfläche

Anzahl

Innenstadt

35.193

49

Forst

7.277

12

Burtscheid

9.430

14

Brand

33.390

62

Eilendorf

48.933

80

Haaren

10.143

22

Kornelimünster

21.378

34

Laurensberg

15.295

25

Lichtenbusch

7.389

14

Richterich

7.539

15

Walheim

29.060

48

Insgesamt

225.027

375

(Bei den hier aufgelisteten Grundstücken handelt es sich um die Flurstücke, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Grundsteuer C herangezogen werden könnten. Darüber hinaus wurden noch ca. 120 Flurstücke ermittelt, welche lediglich in Teilen potenziell bebaubar wären.)

 

Bei den privaten Flurstücken wurde festgestellt, dass ein großes Neubaugebiet in der Hand eines Bauträgers in Brand mit 16.879 m² sich bereits in der Bebauung befindet und somit zeitnah nicht mehr der Grundsteuer C unterliegt.

 

Dieser Beispielfall stellt leider auch keine Ausnahme dar, bei stichprobenartiger Überprüfung wurden weitere Fälle gleicher Konstellation (Bauüberhang) festgestellt, daher bedürfen die o.g. Flächen einer grundsätzlichen personalaufwendigen Überprüfung.

 

Alternative Instrumente:

Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz vom 23. Juni 2021 wurde eine Novellierung verschiedener Gesetze zur Sicherung von Wohnraum und zur Beschleunigung der Innenentwicklung verabschiedet. Für die Baulandaktivierung im Bereich Innenentwicklung sind insbesondere die Einführung eines städtebaulichen Entwicklungskonzepts für die Innenentwicklung (§ 176a BauGB) und die ggf. anschließende Verhängung von gemeindlichen Baugeboten von Bedeutung.

 

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