Kenntnisnahme - FB 45 n/0039/WP18
Grunddaten
- Betreff:
-
Zusammenfassende Informationen zum Schulversuch PRIMUS-Schule
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- FB 45 - Fachbereich Jugend und Schule
- Verfasst von:
- FB 45/110
Beratungsfolge
| Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Ausschuss für Schule und Weiterbildung
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Kenntnisnahme
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09.09.2025
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Erläuterungen
1. Ausgangslage
Der Ausschuss für Schule und Weiterbildung beauftragte die Verwaltung in seiner Sitzung am 08.07.2025, ein umfassendes Informationspaket zum Thema PRIMUS-Schule zusammenzustellen.
2. Gesetzliche Rahmenbedingungen und Konzeption einer PRIMUS-Schule
Die PRIMUS-Schule wurde ab den Schuljahren 2013/2014 und 2014/2015 zunächst als Schulversuch mit einer Laufzeit von 10 Jahren erprobt. Der Schulversuch wurde wissenschaftlich begleitet und erfolgte unter folgenden Prämissen:
- Klassen 1-10; mindestens 3-zügig; 25 SuS / Klasse
- Ganztagsschule, spätestens ab Klasse 5 in Form des gebundenen Ganztags
- Erreichung aller Abschlüsse der SEK I, für SEK II: Kooperation mit gymnasialer Oberstufe
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Unterricht / Pädagogik / Inhalte des Schulversuchs:
- Entwicklung inklusiver zukunftsweisender Unterrichtskonzepte
- Sicherung der Kontinuität der Schüler*innenlaufbahnen von Klasse 1 bis 10
- jahrgangsübergreifende Lerngruppen
- heterogen zusammengesetzte Lerngruppen ohne äußere Differenzierung
- alternative Formen der Leistungsbewertung unter Einschluss der Möglichkeit eines Verzichts auf Ziffernnoten bis einschließlich Klasse 8
3. Aktuelle rechtliche Situation
Mit dem 17. Schulrechtsänderungsgesetz wird die Fortführung der aus dem Schulversuch hervorgegangenen PRIMUS-Schulen ermöglicht (§ 132 b 17 SchRÄG):
- Bestehende PRIMUS-Schulen werden bestätigt und können damit fortgeführt werden.
- Die Neugründung / -bildung weiterer PRIMUS-Schulen ist nicht vorgesehen.
- Somit müsste für die die Gründung einer PRIMUS-Schule in Aachen über die Bezirksregierung bzw. das Ministerium eine Ausnahmegenehmigung erwirkt werden.
- Das 18. Schulrechtsänderungsgesetz soll weiterführende Regelungen zur PRIMUS-Schule beinhalten.
Hier könnte im Vorfeld politisch darauf eingewirkt werden, dass in Einzelfällen die Gründung weiterer PRIMUS-Schulen ermöglicht wird.
4. Bisherige Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis
Zentrale Erkenntnisse aus der Veröffentlichung der wissenschaftlichen Begleitforschung aus 2021:
- An allen bestehenden Standorten lässt sich eine stabile Nachfrageentwicklung beobachten und die Schulen konnten eine hohe Akzeptanz entwickeln.
- Der konsistente strukturelle wie auch pädagogische Rahmen der Verbindung von Primar- und Sekundarstufe eröffnet für die Schüler*innen und deren Eltern einen von Selektionsdruck entlasteten Horizont für die Planung und Gestaltung der Bildungsgänge der Kinder.
- Von dem Schulversuch gehen positive Impulse auf die Professionsentwicklung an PRIMUS-Schulen aus. Veränderte berufliche Anforderungen bewegen die Lehrkräfte zu einer Arbeit am eigenen beruflichen Selbstverständnis.
- Die Schulen stellen sich in besonderer Weise den Anforderungen der Inklusion. Um dem gerecht werden zu können, benötigen sie besondere Ressourcen.
- Die wissenschaftliche Begleitforschung empfiehlt einen Wissenstransfer aus den Schulen hinaus in eine breitere Öffentlichkeit, um die Sichtbarkeit des Schulversuchs zu erhöhen und Impulse für andere Schulstandorte zu geben.
- Die ersten Abgänger*innen erzielen hochwertige Abschlüsse und übertreffen die Schullaufbahnprognosen.
Bericht der Landesregierung für die Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung am 11.12.2024:
- Die stabile Nachfrageentwicklung und eine hohe Haltekraft der Schulen haben sich weiter bestätigt.
- Die Schulen erzielen in den regelmäßigen landesweit einheitlichen Lernstanderhebungen VERA 8 im Rahmen der nordrhein-westfälischen Standardsicherung tendenziell vergleichbare Ergebnisse bzw. im Vergleich mit Schulen mit vergleichbaren Rahmenbedingungen überdurchschnittlich gute Ergebnisse.
- Die Schülerinnen und Schüler blicken mit großer Zukunftsgewissheit auf die Zeit nach der Schule – unabhängig davon, ob der Besuch einer weiterführenden Schule der Sekundarstufe II oder die Aufnahme einer beruflichen Ausbildung angestrebt wird – und bringen dies in Zusammenhang mit PRIMUS-spezifischen Lern- und Arbeitsformen.
- Mit Blick auf die innere Schul- und Lernkultur fördern die Schulen ein Vertrauen in die eigene Lern- und Leistungsfähigkeit und legen den Schülerinnen und Schülern die Aneignung eines Konzepts von Verantwortlichkeit für sich selbst und die Mitschülerinnen und Mitschüler nahe.
- Die Befunde aller durchgeführten Interviews deuten darauf hin, dass die strukturelle Anlage des Schulversuchs als Langform die professionellen Selbstverständnisse und kollektiven Orientierungen der Lehrkräfte zur Veränderung inspiriert.
Vorstellung der PRIMUS-Schule Titz im Ausschuss für Schule und Weiterbildung am 05.06.2025 durch die Schulleitung, Frau Törkel-Howlett sowie den Bürgermeister der Gemeinde Titz, Herrn Frantzen:
- Nach anfänglicher Skepsis wird die Schule inzwischen vom überwiegenden Teil der Elternschaft akzeptiert und wertgeschätzt – die Schule hat sich immer mehr etabliert und ist stark gewachsen. Die Einschulungsquote in der ersten Klasse liegt inzwischen bei rund 120 %.
- Der Primarbereich ist inzwischen stabil vierzügig, der Sekundarbereich steuert ebenfalls auf eine dauerhafte Vierzügigkeit zu.
- In Klasse fünf ist ein vermehrter Aufwuchs an Schüler*innen von anderen Schulen zu verzeichnen. Andererseits verlassen nur sehr wenige Kinder die Schule nach der vierten Klasse.
- Der Unterricht wird jahrgangsübergreifend gestaltet. Dabei werden die Jahrgänge eins bis drei, vier bis sechs, sieben und acht und neun und zehn zusammen unterrichtet. Seiteneinstiege sind im System PRIMUS-Schule nicht vorgesehen.
- Es gibt bis einschließlich Klasse 8 keine herkömmlichen Notenzeugnisse, sondern sogenannte Kriterienzeugnisse.
- Durch den nahtlosen Übergang zwischen der Primar- und der Sekundarstufe wird negativen Schulkarrieren, oft verbunden mit Abschulungen, effektiv entgegengewirkt.
- Über 50 % der Kinder erreichen die Qualifikation für die Sekundarstufe II, es gibt keine Hauptschulabschlüsse nach Klasse 9, sondern viele mittlere Schulabschlüsse.
- Die Berufsorientierung beginnt schon sehr früh in der Primarstufe, außerdem gibt es eine enge Kooperation mit den umliegenden Schulen mit Berufsorientierung und Sekundarstufe II, sodass der Übergang reibungslos funktioniert. Darüber hinaus gibt es in der Sekundarstufe Kooperationen mit ortsansässigen Unternehmen.
- Inklusion und Integration funktionieren hervorragend, da schon mit der Einschulung die individuelle Begleitung und Förderung der Kinder beginnt. Da die Kinder so bereits sehr früh durch Förderung aufgefangen werden, gibt es praktisch keine AOSF-Verfahren.
- Die Lehrkräfte der Schule haben sich bewusst für die PRIMUS-Schule beworben.
- Sie haben eine Verantwortung für die Schüler*innen über zehn Jahre hinweg und nicht nur über vier oder sechs Jahre haben. Dies schafft ein ganz anderes Verhältnis zwischen Lehrkräften und Schüler*innen.
- Dennoch gibt es Lehrkräfte, die auf den Primarbereich bzw. auf den Sekundarbereich spezialisiert sind. Darüber hinaus sind noch unterschiedliche Sonderpädagogen an der Schule beschäftigt.
- Der entscheidende Vorteil der PRIMUS-Schule gegenüber der Sekundarschule ist nach Auffassung der Schulleitung die vorgelagerte Primarstufe.
5. Auswirkungen der Gründung einer PRIMUS-Schule in Aachen
Für die Gründung einer PRIMUS-Schule könnte sich unter Umständen das Gebiet Forst / Driescher Hof anbieten (FB 45 n/0023/WP18). Grundsätzlich und bezogen auf diesen in Frage kommenden Standort würden sich aus schulplanerischer Sicht folgende Effekte ergeben:
Primarbereich:
Die Gründung einer PRIMUS-Schule im Bereich Forst / Driescher Hof wäre eine nachhaltige Option, um dortige Bedarfe mit auffangen zu können und die bereits jetzt angespannte Schulplatzsituation in Forst / Driescher Hof und Brand, die sich perspektivisch aufgrund der geplanten Neubaugebiete weiter aufbauen könnte, zu entschärfen. In der Annahme, dass im Primarbereich langfristig zwei Züge zusätzlich erforderlich werden, könnten diese durch den Neubau einer PRIMUS-Schule abgedeckt werden. Gleichzeitig würden sich bauliche Ersatz- und Erweiterungsmaßnahmen an Bestandsschulen sowie die dazu notwendige Schaffung von Übergangs- / Containerlösungen erübrigen.
Die konkreten Auswirkungen bedürfen einer zukünftig genaueren Prüfung.
Sekundarbereich:
Die aktuell vorhandenen Platzkapazitäten der Bestandsschulen erscheinen – gesamtstädtisch betrachtet – mit dem vorhandenen Raumangebot knapp ausreichend, um genügend Schulplätze zur Verfügung stellen zu können.
Für ein langfristig quantitativ und qualitativ gesichertes Schulplatzangebot, das krisenfest aufgestellt ist, wird jedoch der Bedarf an zusätzlichen Schulplätzen gesehen. Hier besteht aktuell die Annahme, dass langfristig ein zusätzlicher Zug sowie darüber hinaus ein Puffer erforderlich sein werden.
Zusätzliche Schulplätze an einer PRIMUS-Schule könnten im SEK I Bereich dabei unterstützen,
- perspektivische Bedarfe für Seiteneinsteiger*innen abzudecken
- Entlastungsmöglichkeiten an bestehenden Schulen zu schaffen, indem dort die Zahl der Schüler*innen reduziert und somit die Raumsituation optimiert werden kann (Qualität)
- ein krisenfestes Schulplatzangebot durch eine Erhöhung der Kapazitäten zu schaffen (Quantität).
Keine zusätzlichen Kapazitäten im SEK II Bereich:
Im Bereich der Oberstufenkapazitäten gibt es in der Stadt Aachen keine Engpässe. Vielmehr bestehen nach aktueller Einschätzung an einigen Schulen weitere Kapazitäten, um bei Bedarf eine erhöhte Nachfrage abdecken zu können.
Durch die Gründung einer PRIMUS-Schule würden keine zusätzlichen Oberstufenkapazitäten geschaffen, sodass eine Verschärfung der Konkurrenzsituation der bereits vorhandenen Angebote in der Stadt Aachen vermieden würde.
Inklusion:
Der zweite Bericht der wissenschaftlichen Begleitforschung des Schulversuchs der PRIMUS-Schule führt aus, dass „…der jahrgangsgemischte Unterricht als guter Möglichkeitsraum für Inklusion erlebt wird. Mit der Wertschätzung von Heterogenität und der Annahme von Individualitäten wird Stigmatisierung reduziert und ein besonderer Förderbedarf weniger offensichtlich. Auch weil es ohnehin für alle Schüler*innen Lernberatungen gibt, ordnen sich Förderplangespräche in diese Lernkultur ein, ohne besonders aufzufallen. Pädagogisches Ziel der Primus-Schulen ist es, auf diese Weise Verschiedenheit zu normalisieren und sonderpädagogische Förderung im inklusiven Kontext zu entdramatisieren.“
In den letzten Jahren zeigt sich landesweit – ebenso wie in Aachen und der StädteRegion – eine steigende Anzahl an Kindern mit festgestelltem Förderbedarf und damit einhergehend eine steigende Nachfrage nach Förderschulplätzen. Eine PRIUMUS-Schule in Aachen könnte auch in diesem Bereich zur quantitativen und qualitativen Steigerung des Schulplatzangebots führen.
Weitere Aspekte:
Das Konzept, Primar- und Sekundarbereich zu verbinden, nimmt sowohl Eltern als auch den Schüler*innen den wahrgenommenen Druck, sich bereits nach der vierten Klasse für eine weiterführende Schulform entscheiden zu müssen. Dies stellt, neben dem pädagogischen individuellen Ansatz dieser Schulform, einen hohen Anreiz dar.
Auch zeigt sich, dass für Eltern die Möglichkeiten attraktiv und relevant sind, ihrem Kind den Erwerb der unterschiedlichen Schulabschlüsse während der SEK I offen halten zu können. Dies wird u.a. durch die hohe Nachfrage nach Gesamtschulplätzen in der Stadt Aachen deutlich. Diese Möglichkeit könnte auch in einer PRIMUS-Schule gewährleistet werden.
Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass die besondere Schulform für viele Familien so attraktiv ist, dass auch längere Schulwege in Kauf genommen werden und so eine Versorgung von Kindern, die nicht im unmittelbaren Umfeld wohnen, realistisch zu erwarten ist.
Sofern eine PRIMUS-Schule im Bereich Forst / Driescher Hof entstehen würde, könnte dies auch zu einer Stärkung des Sozialraums führen.
Durch die von Beginn an auf unterschiedlichen Ebenen durchgeführte Lernberatung in einer PRIMUS-Schule erfolgt – wie im Konzept der Titzer Schule beschrieben – eine richtungsweisende „Laufbahnberatung“, die eine Berufs- und Studienberatung mit einbezieht. Auf diese Weise könnte letztlich auch die Berufsorientierung in der Stadt Aachen gestärkt werden.
Mit dem Konzept einer Beschulung der Jahrgänge 1-10 hätte die PRIMUS-Schule in Aachen in jedem Fall ein Alleinstellungsmerkmal.
6. Ausblick
Auf Grundlage der hier gesammelt dargestellten Informationen sollte in einer der nächsten Sitzungen ein Beschluss gefasst werden, ob die Einführung einer PRIMUS-Schule in Aachen grundsätzlich gewünscht ist. Infolgedessen könnten dann weitere konkrete Schritte in Richtung der Bezirksregierung und des Landes eingeleitet sowie die Klärung der Standortfrage weiter vorangetrieben werden. Damit einhergehend würden entsprechende Dialogformate für die Entwicklung von schulplanerischen, -baulichen und -organisatorischen Szenarien mit Blick auf die umliegenden Schulen bzw. die potentiell von einer Entscheidung für eine PRIMUS-Schule betroffenen Schulen eingeleitet werden.
Anlagen
| Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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1
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(wie Dokument)
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28,3 MB
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2
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(wie Dokument)
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4,6 MB
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3
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(wie Dokument)
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7,8 MB
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4
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(wie Dokument)
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1,1 MB
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5
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(wie Dokument)
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1,2 MB
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