Entscheidungsvorlage - E 18/0089/WP15
Grunddaten
- Betreff:
-
CDU-Antrag zur Einführung von Windelsäcken in Aachen vom 07.05.2007
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Entscheidungsvorlage
- Federführend:
- E 18 - Aachener Stadtbetrieb
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Betriebsausschuss Aachener Stadtbetrieb
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Entscheidung
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08.08.2007
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Erläuterungen
Erläuterungen:
1.
Der Antrag der CDU-Fraktion vom 07.05.2007 mit dem Ziel, Aachener Familien mit Kleinkindern sowie mit pflegebürftigen, inkontinenten Menschen im Haushalt mit kostenfreien Windelsäcken zu versorgen, ist zweifelsfrei ein familienfreundlicher sowie ein die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung für ältere Menschen fördender Ansatz. Der Aachener Stadtbetrieb steht diesem Ansatz als operativer Entsorger der Stadt Aachen aufgeschlossen gegenüber.
Der Aachener Stadtbetrieb ist bereit und in der Lage, den mit der Einführung von Windelsäcken verbundene Mehraufwand personell als auch fahrzeugtechnisch zu gewährleisten.
Da nicht jeder in Frage kommende Haushalt in der Lage sein wird, die Windelsäcke in den Entsorgungszwischenzeiträumen in einem verschließbaren Abfallraum ordnungsgemäß aufzubewahren, ist es nicht nur wegen der Geruchsintensivität des Abfallgutes, sondern auch wegen der damit einhergehenden hygienischen und gesundheitlichen Implikationen zwingend angezeigt, von einem wöchentlichen Entsorgungsrhythmus auszugehen, was auf das Kalenderjahr bezogen, die Bereitstellung von 52 Abfallsäcken und die Gewährleistung von 52 Entsorgungen bedeutet.
Um den mit einer Einführung des Windelsackes einhergehenden Mehraufwand möglichst optimal zu gestalten, sollte im Antragsverfahren die Beibringung der Antragsvoraussetzungen den Antragstellenden auferlegt werden. Gleiches sollte sodann auch für die Beibringung der anspruchswahrenden Voraussetzungen nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes gelten.
Hinsichtlich der Windelsäcke für Kleinkinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres ist letzteres völlig unproblematisch, weil der Zeitraum durch die Altersbegrenzung von vorne herein vorgegeben ist. Bei inkontinenten Personen ist aber wegen der Unabsehbarkeit der Dauer des Krankheitszustandes eine wiederkehrende Überprüfung des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Gewährung der Windelsäcke unerlässlich. Zur Vermeidung unnötigen Aufwandes wäre hier die Beschränkung des Gewährungszeitraumes auf ein Kalenderjahr mit der Möglichkeit der Verlängerung bei Nachweis des weiteren Vorliegens der Antragsvoraussetzungen ein sehr praktikabeler Weg.
Eine Beschränkung des Gewährungszeitraumes auf pauschal zwei Jahre könnte bei dem letzteren Personenkreis wegen der bereits angesprochenen Unvorhersehbarkeit der Erkrankungsdauer Begründungsprobleme bereiten und der Gefahr des Vorwurfes der Willkürlichkeit ausgesetzt sein.
Die Frage nach dem ’Wie’ und ’Wo’ der Entgegennahme der Anträge sowie der Ausgabe der Windelsäcke sollte in der Tat flexibel und bürgernah gestaltet werden. Entscheidend ist allerdings hierbei, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und des einheitlichen Controllings die Sachbearbeitung einheitlich durch den Aachener Stadtbetrieb durchgeführt und gewährleistet wird.
Kommunen, die diese Dienstleistung in gleicher oder vergleichbarer Art bereits anbieten, haben in ihren Abfallwirtschaftssatzungen das Procedere häufig in gleicher oder ähnlicher Form angelegt. Das ist jedenfalls das Ergebnis einer vor Abfassung dieser Vorlage durchgeführten Internet-Recherche.
2.
Die gleiche Internet-Recherche hat allerdings auch ein anderes und klar zu erwartendes Ergebnis hervorgebracht.
Dieses Ergebnis lässt sich knapp und prägnant zusammenfassen: Eine Einstellung der Kosten für eine gebührenfreie Bereitstellung von Windelsäcken in die Gebührenbedarfsberechnung und somit eine Refinanzierung des Systems über die Abfallgebühren nach § 6 KAG NW ist rechtswidrig!
Zur Begründung dessen und zu den sich daraus ergebenden Folgen kann vollinhaltlich, weil rechtlich zutreffend, auf eine vom Nordrhein-Westfälischen Städte – und Gemeindebund an alle seine Mitgliedsgemeinden und –städte mit Datum vom 19.04.2006 gerichtete Grundsatzstellungnahme verwiesen werden. Diese hat nachstehenden Wortlaut:
“Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 Landesabfallgesetz NRW ist eine Stadt/Gemeinde verpflichtet, über die Abfallgebühr wirksame Anreize zur Abfallvermeidung und –verwertung für die gebührenpflichtigen Benutzer der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung zu setzen. Mit Blick auf diese gesetzliche Vorgabe muss ein Benutzer der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung entsprechend der von ihm produzierten Abfallmenge mit Abfallgebühren belastet werden. Dies ergibt sich auch aus dem kommunalabgabenrechtlichen Äquivalenzprinzip (§ 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW), wonach die Gebühren nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur tatsächlichen Inanspruchnahme stehen darf.
Vor diesem Hintergrund ist es unzulässig, eine kostenlose Windeltonne oder einen kostenlosen Windelsack für Familien mit Kleinkindern oder Familien mit pflegebedürftigen älteren Personen, die auf Einwegwindeln angewiesen sind, einzuführen und die Kosten für diese kostenlose Windeltonne bzw. den kostenlosen Windesack über die Abfallgebühren auf alle Abfallgebührenzahler abzuwälzen. Die Unzulässigkeit ergibt sich zum einen daraus, dass derjenige, der Einwegwindeln benutzt, entsprechend der Abfallmenge auch zu Abfallgebühren herangezogen werden muss, weil alternativ auch die Möglichkeit bestünde, mit Blick auf die Abfallvermeidung waschbare Mehrwegwindeln aus Stoff zu benutzen. Entschließt sich deshalb jemand – was ohne jeden Zweifel nachvollziehbar ist – dazu, keine Stoffwindeln, sondern Einwegwindeln zu benutzen, so muss er für die Entsorgung dieser Einwegwindeln auch entsprechend mit Abfallgebühren belastet werden. Diese Belastung entspricht im Übrigen auch dem Regelungsinhalt des § 9 Abs. 2 Satz 3 Landesabfallgesetz NRW, wonach nur derjenige wirksame Anreize für die Abfallgebühr erhalten soll, der Abfälle vermeidet oder verwertet.
Eine kostenlose Windeltonne oder ein kostenloser Windelsack für Familien mit Kleinkindern ist nur dann möglich, wenn die Kosten hierfür komplett über allgemeine Haushaltsmittel finanziert werden. Soziale Gebührenabschläge und die hieraus entstehenden Einnahmeausfälle bei den Gebühren müssen demnach komplett über allgemeine Haushaltsmittel abgedeckt werden und dürfen nicht den übrigen sozial nicht begünstigten Abfallgebührenzahlern angelastet werden (so auch ausdrücklich Hess. VGH, Hess. Gemeindezeitung 1991, S. 311).“
Die im Rahmen der bereits mehrfach angesprochenen Internet-Recherche eingesehene und durch persönliche Gespräche hinterfragten einschlägigen kommunalen Abfallwirtschaftssatzungen belegen, dass sich die kommunale Praxis an diese rechtlichen zwingenden Gegebenheiten auch hält.
So werden die Windelsäcke oder –behälter entweder mit kostendeckenden Gebühren belegt oder erfolgt die Refinanzierung im Falle der kostenlosen zur Verfügungstellung über den gemeindlichen/städtischen Haushalt.
Im Falle der Stadt Erkelenz, die die Dienstleistung Windelsäcke im Rahmen der ersten Änderungssatzung vom 20.12.2006 zur Abfallgebührensatzung der Stadt Erkelenz vom 15.12.2005 aufgenommen hat, geschieht die Finanzierung der kostenlosen Windelsäcke, die dort nur für Familien mit Kleinkindern bereitgestellt werden, über den städtischen Jugendhilfeetat.
3.
Ausgehend von der Tatsache, dass zum Stichtag 31.12.2006 in der Stadt Aachen (einschließlich aller Bezirke) 4113 Kinder bis zum Alter von zwei Jahren lebten, ist bei einer durchschnittlichen Kinderzahl von 1,4 Kindern pro Haushalt von einer Anzahl an berechtigten Haushalten von 2938 (gerundet) auszugehen. Diese Zahlen bedeuteten voraussichtliche jährliche Mindereinnahmen in Höhe von 683.966,40 €. ( 2938 Haushalte x 232,80 € ( 50l alte bzw. 60l neue Jahresgebühr/Restmülltonne ))
Bei Haushalten/Familien mit pflegebedürftigen, inkontinenten Personen fehlt es bislang an entsprechend aussagekräftigen statistischen Werten. Wird allerdings davon ausgegangen, dass Aachen zum Stichtag 31.12.2005 über 154.297 Haushalte verfügte und wird des weiteren zurückhaltend davon ausgegangen, dass nur 0,5 % dieser Haushalte antragsberechtigt wären, bedeutete dies zusätzliche Kosten von jährlich 358.978 € (gerundet).(1542 Haushalte x 232,80 € s.o.)
In Anbetracht der Tatsache, dass bei der zuletzt erwähnten berechtigten Gruppe Familien und Haushalte mit pflegebedürftigen, inkontinenten Personen nicht nur die Zahl der Personen, sondern auch die Dauer des die Inkontinenz auslösenden Krankheitszustandes unwägbar ist und darüber hinaus diese Personengruppe im Vergleich zu den Kleinkindern ein erheblich größeres Abfallaufkommen erzeugen, ist es aus diesseitiger Sicht angezeigt, einen optimierten Haushaltsmitteleinsatz anzustreben.
Mit vergleichbaren Erwägungen hat sich beispielsweise der Rat der Stadt Erkelenz bewusst dazu entschieden, nur Familien mit Kleinkindern über die kostenlose Ausgabe von Windelsäcken eine Förderung zukommen zu lassen.
Angesichts des hohen Engagements der Stadt Aachen, sich für Familien mit Kleinkindern attraktiver zu machen, erscheint dem Aachener Stadtbetrieb das Beispiel der Stadt Erkelenz als sehr nachahmenswert.
4.
Abschließend wird von der durchaus nahe liegenden Erwägung, die im Rahmen der derzeit laufenden Tonnenaustauschaktion aus dem Verkehr gezogenen 50 l Rundtonnen als Windeltonnen zum Einsatz zu bringen, aus nachstehenden Gründen dringend abgeraten:
Der wesentliche Grund für den Austausch der bisher in Aachen gebräuchlichen Restabfalltonnen durch fahrbare Normtonnen ist in der durch EU-Recht verschärften Lastenhandhabungsverordnung zu sehen, der den weiteren Einsatz dieser Rundtonnen ausdrücklich verbietet. Entsorgungstechnisch kommt noch hinzu, dass diese kleineren Rundtonnen auch nicht mehr mit der hydraulischen Schüttung eines Abfallsammelfahrzeuges zu entleeren wären, weil eine speziell erforderliche technische Einrichtung für das Einhängen dieser alten 50 l Rundtonnen an den Schüttungen nicht mehr vorhanden ist und somit letztere mit erheblichem Kostenaufwand nachgerüstet werden müssten.
Die Kosten würden sich schließlich auch noch dadurch erhöhen, dass nach dem Kauf – und Liefervertrag mit dem Tonnenhersteller in dem Gesamtpreis der Material / Rohstoffwert der Alttonnen preismindernd eingerechnet ist. Daher werden die eingesammelten Tonnen auch sofort geschreddert.
Die vorsorglich zurückgehaltenen 1000 alten 50 l Rundtonnen müssten aber bis spätestens Mitte August 2007 wieder in den Verwertungsprozess zurückgegeben werden, andernfalls würde sich der Neubeschaffungspreis nachträglich zweckentsprechend erhöhen.
In der abfallwirtschaftlichen Gesamtbetrachtung darf abschließend ebenso wenig unerwähnt bleiben, dass bei der Einführung einer Windeltonne und/oder eines Windelsackes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die betroffenen Haushalte eine sofortige Reduzierung der vorhandenen Restabfallbehälter beantragen würden. Der hierdurch zu erwartende bzw. potentiell eintretende Gebührenausfall kann zur Zeit noch nicht ermittelt bzw. dargestellt werden.
5.
Schlussendlich ist damit zusammenfassend festzuhalten, dass eine gebührenpflichtige Bereitstellung von Windelsäcken oder eine kostenfreie, aber über allgemeine Haushaltsmittel finanzierte Bereitstellung von Windelsäcken rechtlich sowie tatsächlich grundsätzlich möglich wäre.
Ob allerdings eine zweckentsprechende Mittelbereitstellung aus dem städtischen Haushalt möglich ist, wird derzeit noch geprüft und über das Ergebnis sodann in der Sitzung berichtet.
Anlagen
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