Empfehlungsvorlage (inaktiv) - FB 36/0085/WP16
Grunddaten
- Betreff:
-
Eingabe von Willi Homberg, Goldammerweg 154, 52078 Aachen, eingegangen am 25.01.2011Hier: Baumschutzsatzung der Stadt Aachen
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Empfehlungsvorlage (inaktiv)
- Federführend:
- FB 36 - Fachbereich Klima und Umwelt
- Verfasst von:
- FB 36/40, Herr Drautmann
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Bürgerforum
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Anhörung/Empfehlung
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05.04.2011
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Erläuterungen
Erläuterungen:
1. Die Aachener Baumschutzsatzung
Ziel und Zweck der Baumschutzsatzung ist die Bestandserhaltung der Bäume, insbesondere:
- zur Abwehr schädlicher Einwirkungen, zur Verbesserung des Stadtklimas, zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und zur Sicherung der Lebensstätten für Tiere, insbesondere Vögel sowie
- zur Belebung, Gliederung und Pflege des Landschaftsbildes und zur Sicherung der Naherholung.
Die Baumschutzsatzung mit ihren vielfältigen Zielsetzungen trifft grundsätzlich auf eine breite Akzeptanz in der Bürgerschaft, bei Planern und Architekten. Die Wahrnehmung der satzungsgemäßen Aufgabe durch die Fachverwaltung (FB Umwelt) führt jedoch im Einzelfall zu schwierigen, aus Sicht der Antragsteller unbequemen Entscheidungen.
2. Bürgereingabe des Herr W. Homberg
Herr Homberg vertritt in seiner Eingabe vom 25.01.2011 die Auffassung, dass das Ziel der Baumschutzsatzung eben nicht erreicht werde. Vielmehr werde ein gegenteiliger Effekt erzielt. Im Einzelnen begründet Herr Homberg die Eingabe wie folgt:
a) In der Satzung wurde eine willkürliche Festsetzung von Baumarten sowie von Stammumfang- und Abstandsmaßen verankert.
b) Viele Bürger fällen die in ihren Gärten befindlichen Bäume, bevor diese unter die Baumschutzsatzung fallen. Dies führt dazu, dass nur noch alte, nicht mehr zu beseitigende Bäume verbleiben. Eine gesunde Mischung, bestehend aus Jung- und Altbäumen ist zukünftig nicht mehr gegeben.
c) Große gewachsene Bäume, z.B. eine 15m hohe Lärche, die vor einem Haus steht, dürfen nicht entfernt werden, wenn sie 7m vom Haus entfernt stehen. Auch ein starker Rückschnitt (kein Pflegeschnitt, der stets zulässig ist) könne untersagt werden. Dagegen ist die Fällung bei einem Abstand von 5m grundsätzlich zulässig, weil der Baum dann grundsätzlich als die Haussubstanz gefährdend angesehen werde.
d) Für den Fall eines Schadens, der durch den Baum verursacht werden könne, mache die Behörde dann jedoch wieder den Eigentümer haftbar.
e) Schattenwerfende Bäume behindern eine gärtnerische Nutzung bzw. die Umgestaltungsmöglichkeiten des Eigentümers. Eine Baumschutzsatzung solle daher nur für ganz besondere - z.B. historisch wertvolle Bäume verfasst sein, wie etwa die Forster Linde.
3. Ausführung der Verwaltung
Zu Punkt a)
Die im Jahre 1976 eingeführte Baumschutzsatzung der Stadt Aachen wurde, wie in vielen Städten bundesweit, in Anlehnung an eine Mustersatzung des Deutschen Städtetages NRW entwickelt und verabschiedet. Über die Jahrzehnte hinweg wurden zeitgemäße Modifizierungen vorgenommen, die aus ortspezifischen Anforderungen und Belangen resultierten. Unter anderem wurden einige spezielle Baumarten (Fichte, Birke, u. a.) vom Schutz durch die Baumschutzsatzung ausgeschlossen.
Weitere Modifizierungen räumten den Grundstückeigentümern mehr Eigenverantwortung und Handlungsspielraum ein, in dem nach § 4 Abs. 1 f der Satzung innerhalb der bebauten Ortlage eine abgewogene Abstandsreglung eingeführt wurde. Die Inhalte der Baumschutzsatzung wurden streng nach fachlichen Kriterien und unter Abwägung verschiedenster Belange ausgewählt. Eine willkürliche Festsetzung von Baumarten, Stammumfang- und Abstandsmaßen war und ist insoweit nicht gegeben.
Zu Punkt b)
Befürchtungen, wegen der Baumschutzsatzung würde es in Aachen zukünftig nur noch sehr alte und ganz junge Bäume geben, erweisen sich in der Praxis als nicht zutreffend. Tatsache ist, dass (nahezu) jeder Grundstückseigentümer bemüht ist, sein Grundstück ortsüblich zu begrünen und seinem Garten eine persönliche Note zu verschaffen. Dazu gehört auch das Anpflanzen eines breiten Sortenspektrums an Bäumen. Nach langjährigen Erfahrungen der Verwaltung ist es nicht zutreffend, dass der überwiegende Teil der Grundstückseigentümer seine Bäume fällt, bevor sie den Bestimmungen der Baumschutzsatzung unterliegen. Im Einzelfall ist eine derartige Handlungsweise jedoch nicht auszuschließen. Die Erfahrung hat weiterhin gezeigt, dass Grundstückseigentümer den Standort eines neu anzupflanzenden Baumes heute fachlich optimaler und in Kenntnis der Wuchseigenschaften auswählen, um die langfristige Erhaltung eines Baumes, an den häufig private Erinnerungen geknüpft sind, sicherzustellen.
Im Zusammenspiel von Neuanpflanzung und Schutz und Erhalt von Altbäumen ist so sichergestellt, dass innerhalb der bebauten Ortslage auch zukünftig eine ausgewogene Durchmischung von Alt- und Jungbäumen gewährleistet ist. Nur eine solche Mischung trägt der gewünschten Belebung und Gestaltung des Ortsbildes sowie des Wohnumfeldes Rechnung.
Zu Punkt c
Zur Untermauerung seiner Argumentation nimmt Herr W. Homberg Bezug auf seine eigene, private Angelegenheit in Sachen Baumschutzsatzung.
Der in der Baumschutzsatzung seit 2001 unter § 4 Abs. 1 f verankerte 5 m Abstand (Abstandsregelung) wurde von Seiten der Verwaltung:
- unter Abwägung aller baumrelevanten Faktoren,
- unter Berücksichtigung der Belange der Grundstückseigentümer und
- unter Berücksichtigung der Anforderungen des Natur- und Umweltschutzes
gewählt. Der Neuregelung lag dabei der fachliche und politische Wunsch zugrunde, den Grundstückseigentümern mehr Eigenverantwortung zu übertragen.
Insoweit ist die Feststellung des Herrn Homberg, die Abstandsreglung wurde seinerzeit (2001) wegen eventuell zu erwartender Schäden an der Gebäudesubstanz eingeführt, nicht zutreffend. Im Falle von Risiken für ein Gebäude greifen andere Regelungsinhalte der Baumschutzsatzung.
Entscheidungen des Fachbereichs Umwelt über Fällgenehmigungen bzw. Untersagungen werden grundsätzlich einzelfallbezogen und unter Würdigung aller relevanten Belange getroffen. Kriterien sind u. a., ob visuelle Anzeichen für eine beeinträchtigte Bruch- und Standsicherheit vorliegen, Gefahrenaspekte, Schadensrisiken für Gebäude.
Rechtliche Einordnung:
- Bei der Feststellung, ob von einem Baum eine Gefahr ausgeht, spielt der Abstand eines Baumes zu einem Gebäude keine ausschlaggebende Rolle. Wenn von einem Baum Gefahren für Personen oder Sachwerte ausgehen, ist zum Zwecke der Gefahrenabwehr grundsätzlich eine Ausnahmegenehmigung für notwendige Maßnahmen (Fällung, Rückschnitt) zu erteilen.
- Laut einem Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf vom 04.05.1994 reicht der bloße Verdacht, dass es durch einen Baum zu Gefahren kommt jedoch nicht aus, um für einen gesunden und vitalen Baum im Rahmen der Baumschutzsatzung eine Ausnahmegenehmigung bzw. Befeiung zum Fällen zu erteilen. Vielmehr muss eine konkrete Gefahr vorliegen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gerade der bestimmte Baum in absehbarer Zeit Personen oder Sachen schädigen könnte.
- In dem Zusammenhang ist auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1994 (Az.: VI ZR162/93) von Bedeutung. Es ist niemand verpflichtet, jede abstrakte Gefahr auszuschalten. Eine absolute Sicherheit kann und muss auch nicht gewährleistet werden. Eine 100%- ige Sicherheit gibt es in keiner Lebenslage. Notwendig sind vielmehr nur solche Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach auch zumutbar sind. Welche Maßnahmen dies im einzelnen sind, lässt sich nicht schematisch beurteilen, sondern hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab.
Zu Punkt d
Die Gemeinde haftet grundsätzlich nur dann für einen ablehnenden Bescheid, wenn der schadensverursachende Zustand bereits bei der Prüfung des Sachverhaltes vorhanden war und bei einer visuellen Baumbegutachtung hätte erkannt werden können. Erst in einem solch gelagerten Fall liegt eine Amtspflichtverletzung vor.
Zu Punkt e
Neben den von den Bäumen für die Bevölkerung ausgehende wichtige Funktionen (filtern Schadstoffe aus der Luft, geben Sauerstoff ab, verbessern das Kleinklima u. v. m.) gehen von Bäumen unzweifelhaft auch Wirkungen aus, die im Einzelfall als Beeinträchtigung bewertet werden dürfen. Hierzu zählt auch, dass Bäume zur Verschattung von Grundstücken beitragen. Eine Verschattung kann an heißen Sommertagen für die Bewohner aber auch einen kühlenden, damit positiven Effekt beinhalten.
Da die Baumschutzsatzung neben dem Schutz und Erhalt zahlreiche Möglichkeiten bietet, Ausnahmegenehmigung bzw. Befreiungen zum Fällen oder Rückschnitt von Bäumen zu erteilen, ist auch hier gewährleistet, dass von Seiten der Verwaltung eine ausgewogene, bürgernahe Handhabung praktiziert wird.
Bei 520 Anträgen mit insgesamt 1051 Bäumen wurden im Jahr 2010 für etwa 75 % (775 Bäume) im Rahmen der Baumschutzsatzung Genehmigungen zur Fällung bzw. zum Rückschnitt erteilt. Demgegenüber wurden für nur etwa 25% (276 Bäume) Versagungen erteilt.
Über den Schutz der Baumschutzsatzung hinaus sind zahlreiche, besonders schützenswerte Bäume als Naturdenkmale (z.B. Forster Linde) festgesetzt. Dieser Schutz bietet die Möglichkeit, wertvollste Bäume langfristig zu sichern und zu erhalten. In so gelagerten Fällen ist die Verwaltung bemüht, die Bäume durch umfangreiche Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen langfristig für die Allgemeinheit zu erhalten.
4. Fazit
Die Aachener Baumschutzsatzung stellt ein zielgerichtetes, inhaltlich ausgewogenes und bürgernahes Steuerungsinstrument der Stadt dar und sollte daher in der derzeit gültigen Fassung belassen werden.