Kenntnisnahme - E 49.5/0107/WP17
Grunddaten
- Betreff:
-
Freies WLAN in städtischen Kultureinrichtungen;Antrag der Fraktion GRÜNE vom 30.06.2016
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Kenntnisnahme
- Federführend:
- Kulturservice
- Beteiligt:
- FB 30 - Fachbereich Recht und Versicherung; FB 11 - Fachbereich Personal, Organisation
- Verfasst von:
- E 49/S, FB 30
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Betriebsausschuss Kultur
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Kenntnisnahme
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22.06.2017
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Erläuterungen
Erläuterungen:
Am 06.09.2016 wurde der vorgenannte Antrag im Betriebsausschuss Kultur behandelt.
Die Ausführungen der Verwaltung wurden zur Kenntnis genommen und es wurde der Auftrag erteilt, die aktuelle Rechtslage im Hinblick auf den Einsatz von WLAN im Kulturbetrieb via Aachen WiFi bzw. Freifunk darzulegen:
Die Einschätzung des Rechtsamtes lautet wie folgt:
“Das Rechtsamt der Stadt Aachen vertritt die Auffassung, dass die Stadt - auch wenn NetAachen und Freifunk andere Auffassungen vertreten - rein juristisch gesehen, bei Rechtsverletzungen als Störer in Betracht kommt.
Störerhaftung ist eine Regelung im deutschen Recht, nach der nicht nur der eigentliche Rechtsverletzer belangt werden kann, sondern alle an der "Störung" des Rechts in irgendeiner Weise Beteiligten verpflichtet werden können, zumindest ihre Mitwirkung an der Rechtsverletzung zu unterlassen.
Die Frage ist allerdings, in welchem Umfang eine Haftung des Störers angenommen werden kann.
Der Streit um die sogenannte Störerhaftung bei WLAN in Deutschland währt schon einige Jahre.
Änderung des Telemediengesetzes (TMG Bund)
Ende Juni 2016 trat eine Änderung des Telemediengesetzes (TMG) in Kraft, mit der Betreiber von öffentlichen Funknetzen von der Haftung für Rechtsverstöße durch Nutzer freigestellt werden sollen.
Mit dem "Zweiten Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes" wurde in Paragraph 8 ein Absatz eingefügt, dass das unter bestimmten Umständen geltende Haftungsprivileg für Festnetzbetreiber oder Hoster ausdrücklich auch solchen Anbietern gewährt, "die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen". Damit soll das aus der sogenannten "Störerhaftung" entstehende Haftungsrisiko für WLAN-Anbieter abgeschafft werden. Dies ist jedoch nicht gelungen. Bereits der Bundesrat hat darauf hingewiesen, dass die geänderte TMG-Vorschrift nur besagt, dass das sogenannte Providerprivileg auch für WLAN-Anbieter gilt. Über die außerhalb des Providerprivilegs angesiedelte Störerhaftung hingegen schweigt sich der eigentliche Gesetzestext aus. Lediglich in der Begründung bringt der Gesetzgeber die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Rechtsprechung das Providerprivileg künftig auch auf die zur Störerhaftung gehörenden Unterlassungsansprüche ausdehnen wird. Da die Begründung, anders als der eigentliche Gesetzestext, für die Gerichte nicht bindend ist, ist keineswegs sichergestellt, dass die Rechtsprechung dem Wunsch des Gesetzgebers auch Folge leisten wird.
Abmahnungen auf der Grundlage der Störerhaftung (§ 1004 BGB), die zu nicht unerheblichen Anwaltskosten führen können, sind auch nach Änderung des TMG daher weiterhin möglich.
Entscheidung des EuGH vom 15.09.2016
Nun hat der Europäische Gerichtshof in einem Verfahren (Az. C-484/14) entschieden, dass Betreiber offener WLANs (auch in Einrichtungen wie etwa Cafés) zwar nicht haftbar gemacht werden können für Urheberrechtsverletzung durch User, dass aber Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Rechtsverstöße angemessen und verhältnismäßig sein können.
Für offene WLANs bedeutet dies etwa, dass der Betreiber dafür verantwortlich gemacht werden kann, Rechtsverletzungen durch die WLAN-Nutzer zu unterbinden. Schon das Anbieten des WLAN-Zugangs zum Internet ist dann also eine "Mitstörung": Rechteinhaber haben dann gegen WLAN-Betreiber einen Unterlassungs-Anspruch, an zukünftigen Verletzungen des Urheberrechts nicht mehr mitzuwirken. Ein solcher Unterlassungs-Anspruch wiederum ist die Grundlage für teure Abmahnungen von Anwälten der Rechteinhaber - die letztlich vor allem kostenpflichtige Aufforderungen sind, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen.
Der Europäische Gerichtshof hielt fest, dass ein WLAN-Betreiber nicht schadensersatzpflichtig für Urheberrechtsverletzungen durch die User sein kann.
Demnach sind zwar Abmahn- und Gerichtskosten von den WLAN-Betreibern nicht zu zahlen, solange es um Ansprüche auf Schadensersatz geht. Anders sieht es aber aus, sobald es um die weitere Unterlassung der Rechtsverletzungen geht.
Von den WLAN-Betreibern kann nach Auffassung des EuGH verlangt werden, künftige Rechtsverletzungen zu unterbinden - und dies kann nach Ansicht des Gerichts auch durch User-Registrierung und passwortgeschützten Zugang erreicht werden. Damit nicht genug: WLAN-Betreiber sollen weiter verpflichtet werden können, vor der Herausgabe des WLAN Passworts einen Identitätsnachweis zu verlangen.
Das ist so ziemlich das exakte Gegenteil der Rahmenbedingungen, in denen sich eine Kultur offener Netze entwickeln kann, die sich die Bundesregierung offiziell zum Ziel gesetzt hat. Die Abmahnindustrie muss ihre Strategie wohl nur ein wenig modifizieren: Nach den Vorgaben des EuGH liegt es nahe, dass gewisse Urheberrechtsinhaber nun statt Abmahnungen zu verschicken serienweise Unterlassungsanordnungen mit Verschlüsselungspflicht bei Gericht beantragen. Ob es so kommen wird, dürfte wohl zentral davon abhängen, wer die Kosten für solche gerichtlichen Anordnungen zu tragen hätte. Der EuGH jedenfalls lässt ausdrücklich zu, dass hier die WLAN-Betreiber zur Kasse gebeten werden. Allerdings überlässt es die Entscheidung, ob und in welcher Höhe Kosten geltend gemacht werden können, den nationalen Gesetzgebern.
Der deutsche Gesetzgeber hat es also in der Hand zu bestimmen, dass die Kosten etwaiger Verfügungen die Antragsteller zu tragen haben, nicht die WLAN-Betreiber. Das könnte möglicherweise eine sinnvolle Begrenzung sein: Schon aus Kostengründen würden Rechteinhaber auf eigene Kosten allenfalls gegen Netze vorgehen, aus denen tatsächlich immer wieder
Rechtsverletzungen begangen werden. Massenweise gerichtliche Verfügungen wären dann vermutlich nicht zu befürchten. Andererseits bliebe für WLAN-Betreiber immer noch das Risiko
eines - wenn auch kostenfreien – gerichtlichen Verfahrens.
Bis jetzt ist der hiesige Gesetzgeber (Bund) im Hinblick auf Unterlassungsansprüche - wie oben bereits dargestellt - noch nicht tätig geworden, mit dem Ergebnis, dass diese weiterhin geltend gemacht und auch die Kosten von den Antragsgegnern also dem Störer und damit gegebenenfalls der Stadt Aachen zu tragen sind.
Es wird daher darauf hingewiesen, dass bei Urheberrechtsverletzung Unterlassungsansprüche gegenüber der Stadt Aachen geltend gemacht werden können. Nach erfolgter Abmahnung sind alle damit verbundenen Kosten der Anspruchsteller – meist Anwaltskosten – seitens der Stadt Aachen zu tragen, falls es weiterhin zu Verstößen kommen sollte.“
Auf Grund dessen wird bisher darauf verzichtet, freies WLAN innerhalb der Kultureinrichtungen des Kulturbetriebs der Stadt Aachen zu nutzen.
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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(wie Dokument)
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70,4 kB
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