Entscheidungsvorlage - A 51/0078/WP15
Grunddaten
- Betreff:
-
Kindergartensituation in Aachen - Neues Sprachförderkonzept in städtischen Kitas: "Hör mir zu, sprich mit mir" unter Einbeziehung von "Konlab" (Konstanzer Labor)
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Entscheidungsvorlage
- Federführend:
- FB 45 - Fachbereich Kinder, Jugend und Schule
- Verfasst von:
- A 51/50.1 ; A 53.20
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Schulausschuss
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25.10.2005
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Gestoppt
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Unterausschuss Bündnis für Familie
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Kenntnisnahme
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Erledigt
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Kinder- und Jugendausschuss
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Entscheidung
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25.10.2005
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Erläuterungen
Erläuterungen:
Neues Aachener Projekt zur Sprachförderung von Kindern
mit und ohne Migrationshintergrund
“Hör mir zu – sprich mit mir”
Einsatz von Konlab
Sprachförderung allgemein:
Ein zentraler Bildungsbereich im Elementarbereich ist die Sprache. Die Kinder bei ihrer Sprachentwicklung zu begleiten und zu fördern sind Zielsetzung jedes Kindergartens. Von Seiten des Trägers sind in der allgemeinen Sprachförderung bestimmte Zielvorgaben für jeden Kindergarten gegeben.
Ziele
der Sprachförderung sind:
1.
Sprachförderung
ist in das Gesamtkonzept der Einrichtung einzubauen
2.
Sprachförderung
hat sich an dem einzelnen Kind zu orientieren und dessen Lebenssituation und
Sprachsituation in der Familie zu berücksichtigen
3.
Sprachförderung
ist zugleich eine Förderung der Sinne, der Wahrnehmung und der motorischen
Fähigkeiten
4.
die
Sprechfreude der Kinder ist auszubauen
5.
Wiederholungen
zur Festigung des Erlernten sind Bestandteil von Sprachförderung
Die
Rolle der Erzieherin ist es:
• sprachliches Vorbild zu sein,
• zu beobachten,
• gezielte Sprachförderung anzubieten,
• Sprachförderung ist Aufgabe des gesamten Teams,
• schriftliche Aufzeichnungen sind notwendig
Notwendige pädagogische Standards in der
Sprachförderung:
• eine wertschätzende Beziehung zu dem Kind herzustellen,
• die Situation des Alltags als sprachfördernd zu erkennen,
• die Vielfalt von Medien und Materialien zu nutzen,
• eine handelnde, mit allen Sinnen erfahrende Sprachförderung durchzuführen,
• Räume so zu gestalten, dass sie zum Sprechen anregen,
• die Eltern in die Sprachförderung der Kinder mit einzubeziehen
Um
einen besseren Schulstart zu ermöglichen sind Sprachförderprogramme durch das
Land NRW festgelegt worden. Diese Förderung gilt für die Kinder ein Jahr bzw. ein halbes
Jahr vor der Schule. In dieses
Landesprogramm sind 29 Gruppen in städtischen Tageseinrichtungen eingebunden. 7
Gruppen fördert die Stadt alleine. Dabei geht es vor allem um die Erweiterung
des Wortschatzes, um Kommunikation und um Erkennen von Zusammenhänge von
Themen. In 9 Bausteinen, die der Erlebniswelt der Kinder entnommen sind, wie
z.B. „ das bin ich“ „das ist meine Familie“ usw. soll die obengenannte Zielsetzung erreicht werden.
Trotz der vorgenannten Bemühungen lassen sich bei den Schuleingangsuntersuchungen durch den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst der Stadt Aachen in den letzten Jahren zunehmende Defizite in den Sprachfähigkeiten der Kinder aus den unterschiedlichsten Gründen beobachten. Diese Erkenntnisse decken sich mit den Beobachtungen und Berichten der Erzieherinnen und den Fachberaterinnen aus den Tageseinrichtungen
Daten
des Jugendärztlichen Dienstes des Gesundheitsamtes aus der
Einschulungsuntersuchung:
Für den langfristigen Schulerfolg relevante Fähigkeiten werden in der standardisierten und extern validierten Schuleingangsuntersuchung durch den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst der Stadt Aachen erfasst. Dies sind:
<Muttersprache
<aktive
Fähigkeiten in der deutschen Sprache
<auditive
Wahrnehmung / phonologische Fähigkeiten
<Grammatik
<Aussprache,
Sprechflüssigkeit
Aktuelle Ergebnisse:
66 % aller Kinder (zum Zeitpunkt der Einschulung) sind deutscher Muttersprache
11 % der Kinder sind zweisprachig oder können (sehr) gut Deutsch
7 % aller Kinder haben grenzwertige Deutschkenntnisse mit erheblichen grammatikalischen Defiziten, die einen Förderbedarf in der Schule erwarten lassen
16 % der Kinder haben keine, rudimentär oder so eingeschränkte Deutschkenntnisse, dass keine für den Schulerfolg ausreichenden Fähigkeiten vorhanden sind.
Dies bedeutet, dass von den 23% der Schulneulinge mit nicht deutscher Muttersprache 2/3 nicht über ausreichende Sprachfähigkeiten verfügen, um eine Chance zu einem erfolgreichen Schulbesuch zu haben.
Die Kinder mit Migrationshintergrund sind nicht gleichmäßig über die Stadt verteilt. In manchen Kindertagesstätten /Schulen ist der Anteil der Kinder mit nicht deutscher Muttersprache größer als 80 %. In manchen Schulbezirken gibt es kaum noch Kinder mit deutscher Muttersprache, oder wenn doch, dann verfügen diese auch nicht über ausreichende Sprachfähigkeiten, insbesondere nicht über grammatikalische Kenntnisse.
Ein sonderpädagogischer Förderbedarf ist immer noch häufig mit Spracherwerbsproblemen gekoppelt, möglicherweise auch mit ein Grund für die mangelnden Lernerfolge in den ersten Schuljahren. Von allen Schulanfängern sind gut 1/3 der Kinder aus verschiedenen Gründen sprachentwicklungsgestört oder sprachförderungsbedürftig, teilweise, da sie
entweder
einen Migrationshintergrund haben und / oder aus einer bildungsfernen Schicht
kommen.
Unabhängig davon wurden zusätzlich 5% aller Kinder mit einem generellen heilpädagogischen/sonderpädagogischen Förderbedarf ermittelt.
Diese Zahlen decken sich mit der Prävalenz der Sprachentwicklungsstörung (SES) aus anderen Studien:
Prof. Penner führte mehrere Studien an 6-jährigen Kindern durch:
10 % der Kinder mit deutscher Muttersprache zeigten eine Sprachentwicklungsstörung
60 % der Kinder mit Deutsch als Zweitsprache zeigten eine SES
Prof. Heinemann und Höpfner (2002) ermittelten bei einer detaillierten Untersuchung an 231 Kindern (mit und ohne Migrationshintergrund) 20,3 % sprachentwicklungsgestörte Kinder.
Frau Prof. Grimm et al. (2004) untersuchten 1490 (4- und 5-jährige) Kinder ohne heilpädagogischen Förderbedarf:
10 % der Kinder zeigten eine SES
20 % der Kinder zeigten Sprachentwicklungsrückstände und wurden als „Verdachtskinder“ für eine Sprachentwicklungsstörung beschrieben.
Konsequenzen aus den Untersuchungen
Durch die obengenannten Erkenntnisse sehen sich das Jugendamt und das Gesundheitsamt veranlasst, neu über die Sprachförderung nachzudenken und gemeinsame Lösungen zu finden.
Nicht nur Kinder mit nicht deutscher Muttersprache, sondern auch Kinder aus bildungsferneren, psychosozial belasteten Schichten, haben sowohl in der aktiven Sprache als auch im Sprachverständnis erhebliche, die Schullaufbahn gefährdende Defizite. (Eigene Daten, CITO- Studie). Diese Sprachprobleme führen letztlich zu fehlenden Schulabschlüssen und mangelnder Ausbildung. Die Integration in die Gesellschaft ist erheblich gefährdet, zumindest sehr erschwert. Die Folgekosten für die Gesellschaft sind hoch.
Deshalb
sollte die gezielte Sprachförderung im Kindergarten noch früher beginnen.
Der beste Zeitraum für das “natürliche” Erlernen der Erst- und der Zweitsprache ist aus hirnphysiologischen Gründen die Lebensphase bis 6 Jahre. Ein Teil der Kinder mit Migrationshintergrund – deren Sprachlernbedingungen günstig sind – beweist das. Lernen Kinder in dieser Zeit jedoch kaum Deutsch, gelingt es ihnen nur unzureichend, der Wissensvermittlung in der Schule zu folgen, Abstraktes zu verstehen und die deutsche Schriftsprache zu erwerben. Auch die Verbesserung des Sprachvermögens und – verstehens ein Jahr vor der Schule bzw. ein halbes Jahr schulischer Förderung vor der Schule zeigen nicht die gewünschten Erfolge. Die Migrantenkinder erreichen durchschnittlich das Sprachverstehensniveau von 2-3 jährigen sprachunauffälligen deutschen Kindern. Eine möglichst frühe Sprachförderung in der sprachsensiblen Entwicklungsphase und vor der Wissensvermittlung in der Schule ist nachweislich wirksamer als der späte Förderungsbeginn 6 – 10 Monate vor der Einschulung oder erst schulbegleitend.
Durch eine verbesserte Sprachförderung könnten folgende gesellschaftliche Ziele erreicht werden:
• mehr Sprachkompetenz aller Kinder, insbesondere der Migrantenkinder bis zum
Schulbeginn
•
bessere
Bildungschancen und höhere Motivation zum Lernen
• bessere Voraussetzungen, einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung zu erreichen
•
weniger
unnötige Betreuung in einer Sonderschule
•
mehr
Integration auch im Erwachsenenalter
•
Beitrag
zur Verminderung
psychosozialer Probleme
Das Gesundheitsamt hat sich daher gemeinsam mit dem Jugendamt entschieden, diese Probleme zusammen anzugehen und die systematische, regelerwerbsorientierte Sprachförderung mit Hilfe des evaluierten Sprachförderprogramms Konlab des Schweizer Sprachwissenschaftlers Prof. Zvi Penner möglichst früh im Kindergartenalter einzuführen.
Grundprinzip der Förderung durch Konlab:
< Die Kinder von assoziativen Lernern zu Regellernern machen (dies ist das eigentlich Neue)
< Einsatz gezielter, innovativer Methoden
Konlab ist für Kinder ab 3 Jahren geeignet.
Das Programm richtet sich an deutschsprachige Kinder, die Schwierigkeiten im Spracherwerb aufweisen, und an Kinder aus Migrantenfamilien.
Jeweils 10 Kinder bilden eine Gruppe (Kinder mit Schwierigkeiten im Spracherwerb und Kinder ohne Schwierigkeiten werden gemischt).
Für die gezielte Förderung werden täglich ca. 15 Minuten angesetzt.
Stufe 1 – Von der Lautkette zum Wort Ausbau des Wortschatzes und die Bedeutung der
Wörter
Stufe 2 – Grundregeln des Satzbaus Grammatik und Artikelgebrauch
Stufe 3 – Stufe 1 und 2 werden gezielt umgesetzt in komplexe Verstehensmerkmale wie Mengen, Zeitstruktur usw..
Dies soll in Ergänzung zu den Sprachfördermaßnahmen des Landes und zum ganzheitlichen Ansatz der Sprachförderung im Kindergarten für 3-6 jährigen Kinder mit und ohne Migrationshintergrund in ihren Lebenswelten, also den Kindertagesstätten, geschehen.
So bietet sich die Chance, eine Sprachförderung ausreichend früh und altersgemäß spielerisch von den vertrauten und emotional stabilisierenden Erzieherinnen
durchzuführen.
Mit didaktisch aufwändig gestaltetem Material (spezieller Materialkoffer) und bekannten Spielabläufen wie bei Memory, Puzzle, Bildergeschichten und Multimedia-Spielen, lernen die Kinder über Kontrastierung und Sprachrhythmus die Regeln der deutschen Sprache z.B. der Mehrzahlbildung.
Zusammenfassung
Vorteile des Programms:
<
Nutzung
bestehender Einrichtung
<
entwickeltes
Fördermaterial das ständig benutzt werden kann
<
Großflächiger
Einsatz sofort möglich.
<
Stammpersonal
ist nach Schulung qualifiziert
<
Lerneffekte
auch bei schwächeren Kindern
<
Die
Förderung zeigt Transfereffekte
<
Lässt
sich mit nicht zu großem Zeitaufwand in den täglichen Alltag der Kita
einbeziehen
<
Kann
mit den Angeboten der allgemeinen Sprachförderung verknüpft werden.
Deshalb „hör mir zu, sprich mit
mir“ mit Verwendung des „Konlab-Programms“
Die Wirksamkeit dieses Programms wurde nachgewiesen. Auf Erfahrungen aus anderen Kommunen wie Bonn, Berlin, Offenbach, Mannheim, Heilbronn und anderen kann zurückgegriffen werden.
Nach den Erfahrungen in den anderen Kommunen, in denen die Sprachförderung nach “Konlab” durchgeführt wurde, wird über eine große Akzeptanz bei Erziehrinnen und über große Erfolge bei den Kindern berichtet.
Konzeptdetails
Das Projekt wird zunächst in 15 Tagesstätten in der Trägerschaft der Stadt Aachen (siehe anhängende Liste) durchgeführt.
Das gesamte Team einer Einrichtung wird in der Durchführung des Programms “Konlab” (Theorie und Methode) qualifiziert fortgebildet, praktisch angeleitet und aktiv bei der Umsetzung betreut. Die Fachberaterinnen der Einrichtungen werden einbezogen.
Es finden für jede/n Erzieher/in, aus den unten genannten Tagesstätten 3 x 5 Std. qualifizierte Fortbildung im Sinne /eines Coachings statt. Bereits nach der ersten Fortbildung kann in den Kindertagesstätten mit der Arbeit begonnen werden. Die zweite Fortbildung findet nach 4-6 Wochen statt, die dritte nach 4-6 Monaten. In den Wochen direkt nach der Fortbildung erfolgt durch die Ausbildungslogopädin eine Betreuung in den Kindertagesstätten, um erst gar keine Problemen bei der Umsetzung dieses Sprachförderprogramms aufkommen zu lassen. Je Fortbildung können bis zu 25 Erzieherinnen teilnehmen, es werden also zunächst 3 Gruppen mit je 3 Terminen stattfinden. Die Erzieherinnen einer Einrichtung sollten nicht alle gleichzeitig an der Fortbildung teilnehmen.
Mit Beginn der Ausbildung sollten in jeder Tageseinrichtung mindestens 2 Materialkoffer zur direkten Umsetzung des Erlernten zur Verfügung stehen. Bei den multimedialen Materialien stehen auch Lern- CDs zur Verfügung, für deren Nutzung jedoch die Ausstattung mit Computern (Windows Betriebssystem) zur Verfügung stehen müssten.
Als Ausbildungslogopädin steht in Aachen Frau Natour (Logopädin aus Brand) zur Verfügung, die seit zwei Jahren an der Ausbildung bei Herrn Prof. Penner teilnimmt.
Eine Auftaktveranstaltung mit den Leiterinnen der ersten 15 Einrichtungen wurde vom Jugendamt und Gesundheitsamt durchgeführt. (Vorstellen des Programms). Dabei gelang es eine positive Motivation und Bereitschaft zur Umsetzung zu erreichen.
Anlage/n
Auswirkungen
Finanzielle
Auswirkungen:
Für die Ausbildung der Erzieherinnen, die Materialien und die Nachbereitung ist ein Kostenaufwand für die 15 Tageseinrichtungen von ca. 50,-- Euro pro gefördertem Kind
erforderlich.
Demnach entstehen Kosten in Höhe von ca. 60.000,-- Euro im ersten Jahr.
Diese Summe steht in der Haushaltsstelle 1.46400.41600.6 zur Verfügung.
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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(wie Dokument)
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185 kB
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2
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(wie Dokument)
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1,1 MB
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