Kenntnisnahme - E 18/0088/WP18

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

 

Der Betriebsausschuss Aachener Stadtbetrieb nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

 


 

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Erläuterungen

Erläuterungen:

 

Ausgangslage:

Im Betriebsausschuss von 15.06.2021 wurde der Antrag des Seniorenrates bereits behandelt und zusätzliche Fragen und Aufgaben gestellt. Hintergrund sind die Regelungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zusammengefasst in DGUV Regel Nr. 114-601 „Teil 1: Abfallsammlung“, in denen u.a. auf die Gefahren von Rückwärtsfahrten hingewiesen wird und grundsätzliche Randbedingungen für eine sichere Abfallsammlung beschrieben sind. Im Zuge dessen setzt der Aachener Stadtbetrieb sukzessive die Regelungen der DGUV um und fährt in bestimmten Straßen bzw. -abschnitten nicht mehr rückwärts, sondern hat z. T. grundstücksferne Bereitstellungsplätze bestimmt, an denen die angeschlossenen Entsorgungspflichtigen ihre Abfallbehälter bereitstellen müssen. Die Mitarbeiter des Aachener Stadtbetriebes leeren die Abfallbehälter an diesen Bereitstellungsorten und die Entsorgungspflichtigen sorgen selbst für die Rückführung der Abfallbehälter auf ihre Standplätze an den jeweiligen Grundstücken.

Fragestellungen und Aufgaben aus dem o.g. Betriebsausschuss wurden mit Unterstützung einer externen Beraterfirma, Fa. INFA, bearbeitet und die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit werden zusammengefasst ebenfalls hier dargestellt. Zu den bearbeiteten Themen zählen ein interkommunaler Vergleich, die Klärung von rechtlichen Fragen und eine Kostenschätzung. Der Fachbereich Recht und Versicherung hat ebenfalls Informationen zur rechtlichen Einschätzung geliefert.

 

Interkommunaler Vergleich

Mittels eines interkommunalen Vergleiches wurde zusammengestellt, wie andere Kommunen mit dem Rückwärtsfahrverbot umgehen und mit welchen Maßnahmen die Regelungen der DGUV umgesetzt werden. Insgesamt wurden Informationen von insgesamt 19 Betrieben (14 Städte, 5 Landkreise) ausgewertet und zusammengestellt, die hier in gekürzter Form aufbereitet wurden.

Vor allem in Bezug auf die gewählten Maßnahmen, um eine Rückwärtsfahrt zu vermeiden, ergaben sich eindeutige Vorgehensweisen, die von den untersuchten Betrieben umgesetzt werden, um Rückwärtsfahrten zu vermeiden.

 

Rückwärtsfahrten können durch den Einsatz von kleinen wendigen Abfallsammelfahrzeugen vermieden werden; diese Maßnahme ist die am meisten favorisierte (23 % der befragten Betriebe in Städten) Maßnahme im städtischen Umfeld. Bei sinnvoll platzierten Parkverboten können den Abfallsammelfahrzeugen Wendemöglichkeiten geschaffen werden um, Rückwärtsfahrten zu vermeiden; diese Maßnahme wird von 20 % der befragten Betriebe in Städten eingesetzt. Diese hier exemplarisch erwähnten Maßnahmen werden auch vom Aachener Stadtbetrieb umgesetzt um Rückwärtsfahrten zu vermeiden. Bereits jetzt sind zwei kürzere Abfallsammelfahrzeuge im Einsatz, die durch den kleineren Wendekreis in einem Teil der befahrenen Straßen gefährliche Rückwärtsfahrten vermeiden. Trotzdem ist in einigen engen Straßen bzw. -abschnitten ein Bereitstellungsplatz inkl. der Behälterbereitstellung durch die Bürger*innen nötig. Diese Vorgehensweise wird auch durch andere befragte Kommunen (15 % in Städten, 34 % in Landkreisen) gewählt, inklusive der Vorgehensweise, dass vor der Anordnung eines Bereitstellungsplatzes erst andere Möglichkeiten zur Befahrung der Engstellen durch z. B. kleinere wendigere Abfallsammelfahrzeuge oder auch Parkverbote geprüft werden. Rückfahrassistenzsysteme, wie bei 16 % der Betriebe genannt, sind eine Hilfe bei ungeplanten Rückwärtsfahrten, umgehen jedoch nicht das von der DGUV geforderte Verbot von geplanten Rückwärtsfahrten.

Alle befragten Betriebe haben die Erfahrung gemacht, dass es Bürgerbeschwerden im Zusammenhang mit Maßnahmen gibt, die den gewohnten Service für die Bürger*innen einschränken. Hier wird durch Kommunikation mit den Bürger*innen versucht die Sachlage zu erörtern und nach Lösungsmöglichkeiten gesucht. Diese Erfahrung kann der Aachener Stadtbetrieb ebenfalls bestätigen.

 

Um den haushaltsnahen Service in Straßen ohne ausreichende Wendemöglichkeit anbieten zu können, hat der Aachener Stadtbetrieb Investitionen in Höhe von ca. 570.000 € in 3 Mikro-Abfallsammelfahrzeuge getätigt (herstellerseits noch nicht geliefert). Der Einsatz dieser Mikro-Fahrzeuge wird vielen Bürger*innen wieder den gewohnten haushaltsnahen Service ermöglichen. Diese Mikro-Fahrzeuge sind jedoch im Vergleich zu normalen Abfallsammelfahrzeugen teurer und wartungsintensiver. Auch muss bei der Tourenplanung die deutlich geringere Zuladung in Betracht gezogen werden. Der Einsatz der Mikro-Fahrzeuge wird die Behälterbereitstellung durch die Bürger*innen an den meisten Stellen ersetzen, nur an wenigen und besonders engen Straßen wird eine haushaltsnahe Abholung nicht möglich sein.

 

Trotz Einsatz eines Engstellenfahrzeug gibt es bei den befragten Betrieben noch Straßen bzw. -abschnitte, die mit einem zur Abfallsammlung erforderlichen Fahrzeug nicht befahren werden können. Im interkommunalen Vergleich stehen die Städte und Gemeinden vor der gleichen Herausforderung, weshalb der Stadtbetrieb eine Anfrage in das Vergleichsnetzwerk der Abfallwirtschaft gestellt hat. Nur zwei der befragten Kommunen gaben die Rückmeldung, den Behältertransport selbst für diese Serviceleistung über ein zusätzliches privatrechtliches Entgelt anzubieten. Im Aachener Stadtgebiet werden nach Einführung der Mikro-Abfallsammelfahrzeugen ca. 10 Behälterstandplätze (ca. 44 betroffene Grundstücke und ca. 190 bereitzustellende Abfallbehälter) verbleiben, bei denen die Behälterbereitstellung durch die Bürger*innen zu erfolgen hat, so dass der Aufbau eines etwaig einzuführenden Bereitstellungsservice nur für einen äußerst eingeschränkten Personenkreis notwendig würde. Dies macht es erforderlich, im folgenden Teil der rechtlichen Einschätzung weitere Fragestellungen zu klären.

 

 

 

Rechtliche Einschätzung

Für das rechtlich komplexe Themenfeld der DGUV Regelungen, der satzungsgemäßen Sammlung sowie der Verhältnismäßigkeit der Behälterbereitstellung durch die Bürger*innen hat der Aachener Stadtbetrieb eine rechtliche Einschätzung zum einen durch den Fachbereich Recht und Versicherung und zum anderen durch die INFA vornehmen lassen, die im Folgenden zusammenfassend aufgeführt sind. Dabei ließen sich die Fragestellungen auf vier grundsätzliche Themen reduzieren:

  1. Steht die Anordnung eines alternativen Bereitstellungsplatzes im Widerspruch zum Anschluss- und Benutzungszwang?
  2. Wer hat die Verkehrssicherungspflicht an den vom Stadtbetrieb angeordneten Bereitstellungsplätzen? Wer ist verantwortlich oder haftbar, sollten Unfälle oder Schäden entstehen? Gilt dies analog auch für das Bereitstellen der Behälter im Teilservice sowie das Bereitstellen von Sperrgut?
  3. Ist der Aachener Stadtbetrieb verpflichtet, Abfallbehälter grundstücksnah zu leeren? Ist die Anordnung eines grundstücksfernen Bereitstellungsplatzes zulässig?
  4. Gibt es Grenzen für die Zumutbarkeit der Behälterbereitstellung?

 

  1. Steht die Anordnung eines alternativen Bereitstellungsplatzes im Widerspruch zum Anschluss- und Benutzungszwang?

 

Für Abfälle aus privaten Haushaltungen gibt es einen Anschluss- und Benutzungszwang sowie eine Überlassungspflicht an die kommunale Abfallentsorgung (sprich: an den Stadtbetrieb). Es soll erörtert werden, ob die Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang eine Abholung der Abfallbehälter grundstücksnah durch den Aachener Stadtbetrieb umfasst oder ob eine Anordnung eines Bereitstellungsplatzes rechtlich zulässig ist.

Erzeuger bzw. Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen sind nach § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG verpflichtet, die Abfälle an die öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (örE) zu überlassen, sofern sie eine Verwertung der Abfälle auf den von ihnen genutzten Grundstücken nicht durchführen können bzw. dies nicht beabsichtigen (z. B. durch Eigenkompostierung). Dieser Überlassungspflicht entspricht der örE durch die Verwertung und Beseitigung der Abfälle aus privaten Haushaltungen. Insoweit sind die Pflichtenkreise bundesrechtlich dahingehend festgelegt, dass dem Abfallerzeuger das Überlassen obliegt, dem örE das Einsammeln und Befördern. Weiterhin folgt aus diesen Regelungen, dass den Erzeugern oder Besitzern überlassungspflichtiger Abfälle keine Tätigkeiten obligen, die in den Tätigkeitskreis des örE zuzurechnen sind. Es wäre also nicht zulässig, dem überlassungspflichtigen Abfallbesitzern eine generelle Bringpflicht aufzuerlegen (vgl. Karpenstein/Dingemann, in: Jarass/Petersen, KrWG, § 17 Rn. 68; VG Aachen, Urt. v. 16.12.2020, 7 K 507/20 – n. v. - Urteilsabschrift S. 10). Gleichzeitig ergibt sich aus der Verpflichtung des örE zum Einsammeln und Befördern der überlassungspflichtigen Abfälle kein bundesrechtliches Gebot, dass diese grundsätzlich unmittelbar an dem Grundstück, auf dem sie anfallen, eingesammelt werden müssen. Ein solches Gebot ergibt sich auch nicht aus dem in § 7 Abfallwirtschaftssatzung der Stadt Aachen (nachfolgend: AWS) angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang.

 

 

 

  1. Wer hat die Verkehrssicherungspflicht an den vom Stadtbetrieb angeordneten Bereitstellungsplätzen? Wer ist verantwortlich oder haftbar, sollten Unfälle oder Schäden entstehen? Gilt dies analog auch für das Bereitstellen der Behälter im Teilservice sowie das Bereitstellen von Sperrgut?

 

Den Überlassungspflichtigen, der entsprechend § 14 Abs. 3 AWS den jeweiligen Abfallbehälter zur Abfuhr bereitstellt, trifft die Verkehrssicherungspflicht im Zusammenhang mit dem Aufstellen des jeweiligen Behälters. D.h. er hat diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und zumutbar sind, um eine Schädigung Dritter durch die Abfallbehälter möglichst zu verhindern. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sich für einen sachkundig Urteilenden die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter Dritter verletzt werden können (vgl. Palandt-Sprau, BGB, § 823 Rn. 46).

 

Entsprechendes gilt auch im Rahmen der Bereitstellung von Sperrgut oder wenn der Überlassungspflichtige die Abfallbehälter nicht am Straßenrand, sondern an einem angeordneten grundstücksfernen Bereitstellungsplatz aufstellt. Denn insoweit wurde der Pflichtenkreis des Überlassungspflichtigen erweitert und es obliegt grundsätzlich ihm, etwaige von den am Bereitstellungsplatz aufgestellten Behältern ausgehende Gefahren im Rahmen des Zumutbaren zu verhindern.

 

Dies bedeutet allerdings nicht notwendig, dass der jeweils Überlassungspflichtige in jedem Schadensfall für den kompletten Schaden einstehen muss. Die Frage, ob für einen konkret eingetretenen Schaden der Überlassungspflichtige überhaupt haftet und wenn ja, ob ggfs. ein haftungsreduzierendes Mitverschulden greift, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls. So hat zum Beispiel eine Entscheidung des Amtsgericht Stadtroda festgestellt, dass keine Haftung des Grundstückeigentümers vorliegt, wenn die geleerten Abfallbehälter aus nicht näher aufzuklärenden Gründen gegen ein vorbeifahrendes Fahrzeug prallt und dieses beschädigt, vielmehr obliege es dem Fahrzeugführer, an abgestellten Abfallbehältern mit gebotenem Abstand und Geschwindigkeit vorbeizufahren (vgl. hierzu beispielhaft die Entscheidung des AG Stadtroda, Urt. v. 17.01.2002, 2 C 977/01 – juris –: keine Haftung des Grundstückseigentümers, wenn geleerte Mülltonne aus nicht näher aufzuklärenden Gründen gegen ein vorbeifahrendes Kfz prallt und dieses beschädigt).

 

  1. Ist der Aachener Stadtbetrieb verpflichtet, Abfallbehälter grundstücksnah zu leeren? Ist die Anordnung eines grundstücksfernen Bereitstellungsplatzes zulässig?

 

In § 9 Abs. 1 S. 1 LAbfG NRW ist geregelt, dass die örE Satzungen für die Abfallentsorgung erlassen können. Neben Vorschriften zur Getrennthaltung von Abfällen ist dort ebenfalls geregelt, an welchem Ort und zu welcher Zeit die Abfälle zu überlassen sind (§ 9 Abs. 1 S. 2 LAbfG NRW).

Auf Grundlage dieser Satzungsermächtigung darf der örE auch eine Regelung in der Satzung vorsehen, dass die Überlassungspflichtigen die Abfallbehälter unter bestimmten Voraussetzungen an einen grundstücksfernen Aufstellort verbringen müssen (vgl. § 14 Abs. 4 AWS). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass solche Regelungen rechtlich grundsätzlich unbedenklich (vgl. BVerwG, B. v. 17.03.2011, 7 B 4/11 – juris- Rn. 8) sind.

Weiter ist anerkannt, dass zu den Voraussetzungen, die eine Mitwirkung des Überlassungspflichtigen durch Verbringen der Abfallbehältnisse an einen grundstücksfernen Ort erforderlich machen können, tatsächliche und/oder rechtliche Hindernisse gehören, die einem unmittelbaren Anfahren des Grundstücks entgegenstehen. Rechtliche Hindernisse folgen dabei insbesondere aus straßenverkehrsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen (BVerwG, a.a.O. Rn. 9; OVG NRW, B. v. 06.08.2015, 15 B 803/15 – juris – Rn. 10; B. v. 05.12.2018, 15 A 3232/17 – juris – Rn. 10; VG Aachen, Urt. v. 16.12.2020, a.a.O. S. 12).

 

Eine Verpflichtung des örE zur Abholung von Abfallsammelbehältern direkt am Grundstück wurde in der Rechtsprechung ausnahmsweise nur dann angenommen, wenn im Einzelfall die Anordnung eines grundstücksfernen Bereitstellungsplatzes wegen Unverhältnismäßigkeit ausscheidet (vgl. VG Köln, Urt. v. 06.04.2011, 14 K 693/10 – juris – Rn. 34). Generell wird in Urteilen stets auf die individuelle Beurteilung der Zumutbarkeit und Mitwirkungspflicht der Abfallbesitzer bzw. -erzeuger hingewiesen. Hierzu ist auch das aktuellste Urteil aus Februar 2022 (VG Köln, B. v. 9.2.22- 14 l 1955/21) von Belang und unterstreicht bei einer zumutbaren Bereitstellung durch den Bürger dessen Mitwirkungspflicht (eigenes Handeln oder Beauftragung Dritter).

 

Mit der Anordnung eines grundstücksfernen Bereitstellungsplatzes wird dem betroffenen Überlassungspflichtigen im Vergleich zu anderen Grundstückseigentümern im Einzelfall eine stärkere Mitwirkung abverlangt. Der Überlassungspflichtige muss die Abfallbehälter nicht nur an den Rand des Grundstücks verbringen, sondern über eine weitere Wegstrecke an einen vorgegebenen Bereitstellungsplatz und wieder zurück. Der Grund dafür ist auf die Lage bzw. die Erschließungssituation des angeschlossenen Grundstücks zurückzuführen und liegt deshalb in der Sphäre des Überlassungspflichtigen (vgl. VG Köln, Urt. v. 06.04.2011, 14 K 693/10 – juris – Rn. 34: „Verursacht die besondere Lage eines Grundstücks einen zusätzlichen Aufwand für die für die Abholung der dort anfallenden Abfälle, so ist dies grundsätzlich der Sphäre der überlassungspflichtigen Erzeuger und Besitzer zuzurechnen). Verursacht die besondere Lage eines Grundstücks einen zusätzlichen Aufwand für die Abholung der dort anfallenden Abfälle, so ist dies grundsätzlich der Sphäre der überlassungspflichtigen Erzeuger und Besitzer zuzurechnen. Demgemäß darf der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger von diesen eine stärkere Mitwirkung als sonst üblich verlangen.

 

  1. Gibt es Grenzen für die Zumutbarkeit der Behälterbereitstellung?

 

Durch die Anordnung eines Bereitstellungsplatzes alleine entsteht dem Überlassungspflichtigen kein finanzieller Aufwand. Die Anordnung kann jedoch zu finanziellen Aufwendungen führen, wenn der Überlassungpflichtige die Mitwirkung nicht erbringen will oder kann und dann kostenpflichtig die Mitwirkung an einen Dienstleister delegiert bzw. beauftragt. Eine solche Handlung – das kostenpflichtige Delegieren der Mitwirkungshandlung auf einen Dritten – liegt aber in der Sphäre des Überlassungspflichtigen und beruht auf dessen Entscheidung. Eine irgendwie geartete Verpflichtung des örE, diese Aufwendungen zu erstatten, besteht nicht.

Auch gebührenrechtlich ist diese Maßnahme „neutral“, d.h. sie bleibt ohne Auswirkungen auf die gebührenrechtliche Situation. Zwar mindern sich für den örE bezogen auf die Grundstücke, für die ein grundstücksferner Bereitstellungsplatz angeordnet wird, die Aufwände, da nicht die einzelnen Grundstücke, sondern nur ein Bereitstellungsplatz angefahren werden muss. Doch bleiben der Aufwand und die Leistung im Wesentlichen gleich, es werden nur die letzten Meter bis zum Grundstück “eingespart”.

 

Im Wesentlichen muss in Bezug auf die Behälterbereitstellung geklärt werden, ob diese zumutbar ist.

Zur Frage der Zumutbarkeit betont die Rechtsprechung, dass eine generalisierende Bestimmung der dem Überlassungspflichtigen noch zumutbaren Mitwirkung nicht möglich ist. Entscheidend sei vielmehr stets die konkrete örtliche Situation unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen ist besonders die Entfernung zwischen Grundstück und Aufstellungsort sowie die Erschließungssituation des betreffenden Grundstücks in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.

 

In der Folge ist keine Entscheidung recherchierbar, die eine bestimmte Entfernung (z.B. 100 m) als maximale Wegstrecke festgelegt hat, jenseits derer eine Zumutbarkeit generell abzulehnen ist (gegen einen absoluten Grenzwert ausdrücklich VG Münster, Urt. v. 19.02.2010, 7 K 963/06 – juris – Rn. 32). Die Rechtsprechung hat vielfach auch Entfernungen von mehr als 100 m als zumutbar bewertet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 26.02.2016, OVG 9 N 179.13 – juris – Rn. 22: Wegstrecke von 130 m auf einer flach verlaufenden, verkehrsarmen und durchgängig glatt asphaltierten Straße; VG Cottbus, Urt. v. 26.02.2021, 3 K 1979/18 – juris – Rn. 28: Transportstrecke von 120 m auf einer asphaltierten Straße ohne Geländeerhebungen; VG Weimar, Urt. v. 22.05.2015, 7 K 595/11 – juris – Rn. 80 f.: Entfernung von 130 – 150 m auf teilweise nicht asphaltierter und leicht ansteigender Straße mit dem Hinweis, dass nur geleerte Behälter bergauf gezogen werden müssten).

 

Gesundheitliche bzw. körperliche Einschränkungen oder das Lebensalter sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit nicht relevant. Ansonsten müsste in einer Vielzahl von Fällen Abfall unmittelbar an der Haustür abgeholt werden, was für den örE einen nicht zumutbaren Aufwand darstellen würde. Ist der Überlassungspflichtige aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, Müllbehälter zu einem grundstücksfernen Bereitstellungsplatz zu bringen, so muss er private Vorsorge treffen und etwa nachbarschaftliche Hilfe in Anspruch nehmen oder einen Dienstleister beauftragen (vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 29.08.2002, 6 E 3472/00 – juris – Rn. 19; VG Münster, Urt. v. 19.02.2010, 7 K 963/06 – juris – Rn. 34; VG Düsseldorf, B. v. 16.06.2015, 17 L 1761/15 – juris – Rn. 56 f.; BayVGH, B. v. 29.10.2018, 20 ZB 18.957 – juris – Rn. 20; VG Köln, B. v. 15.02.2019, 14 L 75/19 – juris – Rn. 26). Auch im Zusammenhang mit auf Grundstückseigentümer*innen übertragenen Räum- und Streupflichten (vgl. § 2 Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Stadt Aachen) sind individuelle körperliche Einschränkungen nicht relevant, auch hier wird den Betroffenen zugemutet, ggfs. auf eigene Kosten einen Dienstleister zu beauftragen (vgl. diesen Hinweis bei VG Münster, a.a.O. Rn. 36).

 

Es gibt auch andere Bereiche, in denen Grundstückseigentümer*innen vergleichbar in die Pflicht genommen werden. Nach der Straßenreinigungssatzung sind Räum- und Streupflichten von der Stadt als Straßenbaulastträger auf die Grundstückseigentümer*innen übertragen. Sind Betroffene aus gesundheitlichen oder Altersgründen nicht in der Lage, dieser Pflicht nachzukommen, wird ihnen auch hier zugemutet sich darum zu kümmern, dass Dritte diese Pflichten für sie übernehmen, entweder im Rahmen nachbarschaftlicher Hilfe oder gegen Entgelt bei privaten Dienstleistern.

 

Auch die wirtschaftliche Situation des Überlassungspflichtigen ist im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen. Denn sie wird durch die Anordnung eines grundstücksfernen Bereitstellungsplatzes nicht berührt. Eine Relevanz ist nur mittelbar denkbar in den Fällen, in denen Betroffene den Transport nicht selbst bewältigen können, keine kostenlose nachbarschaftliche Hilfe organisiert werden kann und deshalb auf kostenpflichtige Dienste zurückgegriffen werden muss. Erhebliche finanzielle Belastungen dürften sich im Übrigen im Hinblick auf Häufigkeit (Restmüll, Papiermüll, Biomüll, gelber Sack: ein- oder zweimal monatlich; Sperrmüll ein- oder zweimal jährlich) und dem vergleichsweisen geringen Zeitaufwand daraus nicht ergeben.

 

Sollte im Einzelfall festzustellen sein, dass die Festlegung eines grundstücksfernen Bereitstellungsortes nicht rechtmäßig erfolgen kann, weil sie dem Überlassungspflichtigen nicht zumutbar ist, würde es dem örE obliegen, den Transport der Abfallbehälter vom Grundstück zum Ladepunkt sicherzustellen (vgl. VG Köln, Urt. v. 06.04.2011, 14 K 693/10 – juris – Rn. 34).

 

Kostenrechnung

Um die zusätzlichen Kosten für eine Behälterbereitstellung durch den Aachener Stadtbetrieb zu berechnen, muss zunächst geklärt werden, ob ein Bereitstellungsservice über eine Gebühr angeboten werden kann oder ein privatrechtliches Entgelt berechnet werden muss.

Aus § 9 Abs. 2 S. 5 LAbfG ergibt sich, dass Sondergebühren für Abfallentsorgungsteilleistungen grundsätzlich zulässig sind. Eine Möglichkeit die Behälterbereitstellung aus dem allgemeinen Gebührenhaushalt zu zahlen, besteht u. a. aufgrund des geringen betroffenen Personenkreises nicht. Ein Bereitstellungsservice kann daher als zusätzliche Gebühr angeboten werden, obwohl hier darauf verwiesen werden muss, dass diese Leistung bereits von privaten Dienstleistungsbetrieben angeboten wird und der Aachener Stadtbetrieb grundsätzlich nicht in direkte Konkurrenz zur Privatwirtschaft treten möchte.

 

Eine Kostenrechnung soll eine Annäherung an die für die Bürger*innen zu erwarteten Mehrkosten darlegen, die eine durch den Aachener Stadtbetrieb angebotenen Bereitstellungsservice verursachen könnte. Die Bereitstellung der Behälter beinhaltet das Holen der Behälter am Standplatz und das Zurückbringen der Behälter nach der Leerung. Die hierzu eingesetzten Mitarbeiter müssen die Wegstrecke zwischen Ladepunkt (am Abfallsammelfahrzeug) und dem Bereitstellungsplatz insgesamt vier Mal zurücklegen (2 Laufwege für das Bereitstellen der Behälter, 2 Laufwege für das Zurückstellen der Behälter) und dies jeweils für jeden bereitzustellenden Behälter.

Die Mehraufwendungen beziehen sich überwiegend auf den Zeitaufwand für das Zurücklegen der Wegstrecke und zusätzliche Wartezeiten für Abfallsammelfahrzeuge.

 

Je nach Behältergröße, Abfuhrrhythmus und Distanz zwischen Grundstück und Bereitstellungsplatz unterscheiden sich die notwendigen Aufwendungen. Als Richtwert für einen Behälterholservice (für eine Einheit bestehend aus Restabfall-, Bio- und Papierbehälter) kann im Mittel von ca. 25 € netto/Monat (300 EUR netto/Jahr) ausgegangen werden.

 

Bei zusätzlichen Behältereinheiten würden sich die Mehraufwände entsprechend erhöhen. Auch sei zu erwähnen, dass die Bereitstellung der gelben Säcke nicht im Zuständigkeitsbereich des Aachener Stadtbetriebes liegen und hier die Bereitstellung weiterhin durch die Bürger*innen erfolgen würde.

Durch eigenständiges Bereitstellen der Abfallbehälter durch die Bürger*innen an den Bereitstellungsplätzen können diese Mehraufwände vermieden werden.

 

Zusammenfassung & Fazit

Das Thema des Rückwärtsfahrverbotes ist derzeit bei vielen Betrieben ein Thema, das im Alltagsgeschäft abgearbeitet wird. Genau wie beim Aachener Stadtbetrieb erfolgte bei vielen Betrieben zuerst eine Erfassung und Bewertung der von Rückwärtsfahrverbot betroffene Straßen- und Straßenabschnitten, um dann im nächsten Schritt Maßnahmen zum Abstellen von Rückwärtsfahrten umzusetzen. Um Rückwärtsfahren zu vermeiden, werden mehrere Maßnahmen bevorzugt umgesetzt. Neben dem Errichten von Parkverboten, um Wendeflächen zu schaffen, steht auch der Einsatz von Engstellenfahrzeugen im Fokus und wird häufig in der Praxis angewandt. Seltener (nur bei zwei befragten Betrieben) wird der Behältertransport zum und vom Bereitstellungsplatz als Dienstleistung angeboten; dann jedoch bei den befragten Betrieben als privatrechtliches Entgelt. Sonstige über den Standard hinausgehende Dienstleistungen, die mit den Abfallgebühren abgegolten sind, werden derzeit bei den befragten Betrieben im Hinblick auf das Rückwärtsfahrverbot nicht angeboten.

Nach Einführung der Mikro-Abfallsammelfahrzeuge werden nur ca. 10 der derzeit existierenden Bereitstellungsplätze eine Behälterbereitstellung durch die Bürger*innen weiterhin erforderlich machen. Die zu erwartenden Kosten eines optional angebotenen Bereitstellungsservices zeigen, dass die zusätzlichen Mehraufwände je betroffenem Haushalt einen beträchtlichen Teil der Abfallgebühren ausmachen würden.

Im Ergebnis schlägt der Aachener Stadtbetrieb vor, im Hinblick auf die geringe Anzahl der Bereitstellungsplätze und betroffenen Bürger*innen und auch aufgrund der bereits getätigten und nicht unerheblichen Investition von ca. 570.000 € für die drei Mikro-Abfallsammelfahrzeuge, keinen kommunalen Bereitstellungsservice anzubieten und im Bedarfsfall auf nachbarschaftliche Hilfe oder gewerbliche Dritte zu verweisen.

 


 

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Auswirkungen

Klimarelevanz

 

Bedeutung der Maßnahme für den Klimaschutz/Bedeutung der Maßnahme für die

Klimafolgenanpassung (in den freien Feldern ankreuzen)

Zur Relevanz der Maßnahme für den Klimaschutz

Die Maßnahme hat folgende Relevanz:

keine

positiv

negativ

nicht eindeutig

 

 

 

x

 

Der Effekt auf die CO2-Emissionen ist:

gering

mittel

groß

nicht ermittelbar

 

 

 

x

 

Zur Relevanz der Maßnahme für die Klimafolgenanpassung

Die Maßnahme hat folgende Relevanz:

keine

positiv

negativ

nicht eindeutig

 

 

 

x

 

Größenordnung der Effekte

Wenn quantitative Auswirkungen ermittelbar sind, sind die Felder entsprechend anzukreuzen.

Die CO2-Einsparung durch die Maßnahme ist (bei positiven Maßnahmen):

gering

 

 

unter 80 t / Jahr (0,1% des jährl. Einsparziels)

mittel

 

 

80 t bis ca. 770 t / Jahr (0,1% bis 1% des jährl. Einsparziels)

groß

 

 

mehr als 770 t / Jahr (über 1% des jährl. Einsparziels)

 

Die Erhöhung der CO2-Emissionen durch die Maßnahme ist (bei negativen Maßnahmen):

 

gering

 

 

unter 80 t / Jahr (0,1% des jährl. Einsparziels)

mittel

 

 

80 bis ca. 770 t / Jahr (0,1% bis 1% des jährl. Einsparziels)

groß

 

 

mehr als 770 t / Jahr (über 1% des jährl. Einsparziels)

Eine Kompensation der zusätzlich entstehenden CO2-Emissionen erfolgt:

 

 

 

vollständig

 

 

 

überwiegend (50% - 99%)

 

 

 

teilweise (1% - 49 %)

 

 

 

nicht

 

 

 

nicht bekannt

 

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Anlagen

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