Entscheidungsvorlage - E 18/0053/WP16
Grunddaten
- Betreff:
-
Antrag 136/16 der FWG vom 13.01.2011Neuorganisation des Winterdienstes
- Status:
- öffentlich (Vorlage für Öffentlichkeit freigegeben)
- Vorlageart:
- Entscheidungsvorlage
- Federführend:
- E 18 - Aachener Stadtbetrieb
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Betriebsausschuss Aachener Stadtbetrieb
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Entscheidung
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29.03.2011
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Erläuterungen
Erläuterungen:
Zu dem als Anlage beigefügten Antrag der FWG vom 13.01.2011 nimmt der Aachener Stadtbetrieb wie folgt Stellung:
A) Beschlusslage
Der Rat der Stadt hat am 28.11.1984 entschieden, dass die Verwendung von auftauenden Streumitteln im Winterdienst eingeschränkt und nur zur Fahrbahnbehandlung auf Ausfallstraßen, äußeren Ringstraßen, Gefällstrecken, großen Straßenkreuzungen und Unfallbrennpunkten eingesetzt werden soll.
Alle übrigen Fahrbahnen innerhalb des Stadtgebietes Aachen sollen mit abstumpfenden Mitteln (Granulat, Splitt, Sand) abgestreut werden.
Dieser Grundsatzbeschluss wurde vom Umweltausschuss in seinen Sitzungen am 05.05.1987, 15.12.1987 und 28.11.1989 bestätigt.
B) Differenzierte Winterdienst
1. Einleitung
In der Bundesrepublik Deutschland tragen die Straßen den weitaus größten Anteil am Personen- und Güterverkehr. Auch ein erheblicher Teil des öffentlichen Personnahverkehrs (ÖPNV) wird über die Straßen abgewickelt. Ein funktionsfähiges Straßennetz ist sowohl für den einzelnen Bürger als auch für die gesamte Volkswirtschaft von existenzieller Bedeutung. Es muss nicht nur baulich, sondern auch betrieblich stets in einem dem Bedarf entsprechenden Zustand erhalten werden. Winterglatte Fahrbahnen behindern und gefährden den Verkehr. Der Winterdienst soll Glättebildung nach Möglichkeit vermeiden, entstandene Glätte nach besten Kräften beseitigen oder ihre Auswirkungen auf den Verkehr mildern.
2. Rechtliche Grundlagen
Im Straßen- und Wegegesetz NW und Straßenreinigungsgesetz NW sowie in der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Stadt Aachen sind Regelungen für den Winterdienst enthalten. Daneben ergeben sich noch Anforderungen aus der Verkehrssicherungspflicht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), wonach derjenige, der eine Gefahrenlage schafft oder andauern läßt, auch zumutbare Vorkehrungen zur Abwehr der daraus resultierenden Gefahren, d.h. auch gegen Schnee und Glätte, zu treffen hat.
Die an den Winterdienst zu stellenden Mindestanforderungen ergeben sich aus der Gesetzeslage sowie der ständigen Rechtsprechung. Diese sind vor allem straf- und haftungsrechtlich relevant. Im praktischen Winterdienst ist es vielfach sinnvoll und effektiv, zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit des Verkehrsablaufes, der Verkehrssicherheit sowie der Wirtschaftlichkeit des Winterdienstes über die Mindestanforderungen hinaus zu gehen.
Eine der Hauptaufgaben eines jeden Winterdienstes ist es, dass die Straßen bei Winterglätte nach besten Kräften geräumt und gestreut werden. Winterliche Fahrbahnzustände beeinflussen die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, angefangen von der Herabsetzung des Kraftschlusses bis zur Unbefahrbarkeit. Der volkswirtschaftliche Verlust durch Unfälle, Zeitverluste, mangelnde Erreichbarkeit oder Produktionseinbußen kann sehr groß sein.
3. Winterdienst im Wandel der Zeit
Gegen Winterglätte können tauende oder abstumpfende Streustoffe eingesetzt werden. Abstumpfende Streustoffe erhöhen die Griffigkeit winterglatter Fahrbahnen auf mechanischem Wege, tauende Streustoffe auf physikalisch-chemischem Wege.
Die Streustoffanwendung ist seit langer Zeit in der öffentlichen Diskussion. Die zunehmende Anwendung von Tausalz in den 60er und 70er Jahren und die in Folge auftretenden Salzschäden an Straßenbäumen hat Ende der 70er Jahre zu einer intensiven Diskussion über die Salzanwendung im Winterdienst geführt. Diese - teilweise recht heftige und nicht immer sachliche - Diskussion bewirkte eine Umkehrung des Trends, d.h. Reduzierung der Salzanwendung bis hin zum teilweise völligen Salzverzicht.
Hierbei bildete sich in den meisten Städten und Gemeinden der so genannte "differenzierte Winterdienst" heraus, der eine abgestufte Verwendung der Streustoffe nach Straßen- und Wetterlage vorsieht. Bis Ende der 80er Jahre hat sich in den meisten Kommunen der differenzierte Winterdienst eingependelt, meist mit einer dreistufigen Einteilung des Straßennetzes nach Salzstreuung, Splittstreuung und Nullstreuung.
Seither haben sich wesentliche neue Erkenntnisse ergeben bzw. Rahmenbedingungen verändert, die ein Überdenken der Winterdienstpraxis erfordern:
- Hinsichtlich der Kosten des differenzierten Winterdienstes, insbesondere der Splittstreuung, ist eine Ernüchterung eingetreten; dies insbesondere mit Blick auf die leeren Kassen der Kommunen.
- Untersuchungen zu den Auswirkungen der abstumpfenden Stoffe (Staubbelastung für die Menschen, andere Umweltbelastungen) und zu deren Entsorgung (Recyclingfähigkeit, Verbrennung) haben ebenfalls Ernüchterung hinsichtlich dieser Streustoffe, insbesondere unter dem ökologischen Gesichtspunkt, erbracht.
- Die Auswirkungen der Salzstreuung auf die Umwelt sind durch neuere Untersuchungen relativiert worden, insbesondere bei den mittlerweile üblichen geringeren Streumengen und den heutigen Ausbringungsverfahren.
- Die Fahrzeug- und Gerätetechnik hat sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt. Eine verstärkte mechanische Räumung kann in Verbindung mit moderner Ausbringungstechnik und vor allem mit dem Feuchtsalzverfahren geringst mögliche Salzmengen mit hoher Wirkung gewährleisten.
- Hinzu kommen verbesserte Verfahren zur Wetterprognose und zur frühzeitigen Glätteerkennung, die in Verbindung mit besseren Erkenntnissen über die Zusammenhänge zwischen Wetterlage, Fahrbahnverhältnissen und nötiger Streumenge eine frühzeitige und gezielte Dosierung des Salzes möglich machen.
Somit ist heute der differenzierte Winterdienst im Rahmen der Abwägung zwischen Verkehrssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz in einer fortentwickelten Form möglich. Diese muss die o. g. neuen Erkenntnisse berücksichtigen und alle modernen Techniken nutzen.
4. Ziel des differenzierten Winterdienstes
Ein differenzierter Winterdienst ist ein Winterdienst, der versucht, den bestmöglichen Kompromiss zwischen Verkehrssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz zu erreichen. Differenzierung heißt dabei, dass nicht auf allen Straßen und bei jeder Wetterlage die gleiche Strategie angewendet wird. Die Verwendung der Streustoffe wird vielmehr nach der Verkehrsbedeutung der Straßen, deren Trassierung und topographischen Lage sowie dem Einsatzfall unterschieden. Ziel ist dabei, die Verwendung von Tausalz auf das notwendige Mindestmaß zu beschränken. Die Abwägung über den Streustoffeinsatz muss allerdings in jedem Einzelfall aufgrund der speziellen Verhältnisse vor Ort erfolgen.
5. Streustoffe
Anforderungen an Streustoffe werden in technischen Lieferbedingungen für Streustoffe (TL Streu) festgelegt, die bei der Beschaffung und beim Einsatz dieser Stoffe im Winterdienst zu beachten sind.
5.1 Auftauende Streustoffe
Salze lösen sich in Wasser (Hydratation), setzen den Gefrierpunkt der Lösung herab und bewirken so das Auftauen von auf der Fahrbahn vorhandenem Schnee oder Eis. Es entsteht eine feuchte Fahrbahn. Als tauende Streustoffe eignen sich vor allem folgende Chloride:
- Natriumchlorid
- Kalziumchlorid
- Magnesiumchlorid
Sonstige Taustoffe, z.B. Taustoffe auf Alkoholbasis, technischer Harnstoff, Kalzium-Magnesium-Acetat, Natrium- und Kaliumformiat, Kaliumkarbonat und andere mehr sind zum Teil sehr teuer, feuergefährlich, wassergefährdend und haben eine geringere und/oder weniger anhaltende Tauwirkung als Streusalze. Derartige Taustoffe können für den Einsatz auf Straßen nicht empfohlen werden.
Taustoffe sollen grundsätzlich angefeuchtet ausgebracht werden, damit Streuverluste durch Verwehung vermieden werden und der Tauvorgang schneller einsetzt. Der Einsatz von Feuchtsalz ist aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen generell zu empfehlen. Der Aachener Stadtbetrieb arbeitet im Rahmen des Winterdienstes mit dem Feuchtsalzverfahren FS 30. Beim FS 30 wird Natriumchlorid beim Streuvorgang auf dem Streuteller mit einer Salzlösung angefeuchtet. Der Lösungsanteil beträgt 30 Gewichtsprozente der ausgebrachten Menge. Die Salzlösung wird in einem Tank auf dem Streufahrzeug mitgeführt.
Die Wirksamkeit tauender Streustoffe wird bestimmt durch ihren Reinheitsgrad (Salzgehalt), ihre Kornverteilung, andere Bestandteile sowie eventuelle Zusätze (hydrophobierende Mittel, Antibackmittel). Korrosionshemmende Zusätze sind nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand aus Umweltgründen abzulehnen.
Unmittelbare Einflussfaktoren für die auszubringende Streustoffmenge sind:
- vorhandene Glätte bzw. Niederschlag
- Luft- und Fahrbahntemperatur
- Bodenfrost
- Sonneneinstrahlung
- relative Luftfeuchtigkeit
- Ausbringverluste beim Streuen
- Streustoffverteilung auf der Fahrbahn
- vorherrschende Verkehrsdichte
- Restsalz auf der Fahrbahn
Die große Zahl der sich auch gegenseitig beeinflussenden Faktoren bestimmt nicht nur die Einsatzmethode, sondern auch die auszubringende Streustoffmenge. Da die Einflussfaktoren sehr komplex und voneinander abhängig sind, ist es nicht möglich, feste auszubringende Streumengen für bestimmte Einzelfälle anzugeben. Es ist lediglich möglich, für bestimmte Glätte- und Witterungssituationen Bandbreiten anzugeben, innerhalb derer sich die Streumenge bewegen sollte. Die Abweichungen innerhalb dieser Bandbreite müssen jeweils nach den örtlichen Bedingungen auf der Basis der genannten Kriterien erfolgen, wobei die Fahrbahnoberflächentemperatur der maßgeblichste Einflussfaktor ist.
Unter diesen Rahmenbedingungen werden folgende Streumengen empfohlen:
- Streuung bei leichter Reif- und Eisglätte 5 - 20 g/m²
- Streuung bei Glatteis / nach Eisregen 15 - 40 g/m²
- Streuung bei Schneefall / Schneeglätte 15 - 40 g/m²
Die hohen Werte werden insbesondere bei tieferen Temperaturen (bei etwa - 15 Grad C) notwendig, die niedrigen Werte bei leichter Glätte und Temperaturen knapp unterhalb des Gefrierpunktes.
5.2 Abstumpfende Streustoffe
Abstumpfende Streustoffe werden durch Verkehrseinwirkung mit der Oberfläche der Glätteschicht verzahnt. So kann das Kraftschlussangebot auf winterlichen Fahrbahnen je nach Fahrbahnzustand, Streudichte und Verkehrsbelastung/Geschwindigkeit für gewisse Zeit erhöht werden. Bei Eis- und Reifglätte sind abstumpfende Stoffe nahezu wirkungslos.
Da die abstumpfenden Stoffe von den Fahrzeugen schon nach kurzer Zeit an den Straßenrand geschleudert werden, sind häufig Wiederholungsstreuungen erforderlich.
Als abstumpfende Streustoffe werden vorwiegend natürliche Gesteine in Form von Sanden oder Splitten eingesetzt. Diese sind gebrochenen (granulierten) Schlacken und anderen Nebenprodukten aus verschiedenen industriellen Prozessen vorzuziehen.
Zum Erzielen einer abstumpfenden Wirkung ist eine Streumenge von mindestens 100 g/m² erforderlich. Als Regelstreudichte ist eine Menge von etwa 150 g/m² zu empfehlen. Die Wirksamkeit abstumpfender Streustoffe hängt ab von ihrer Kornzusammensetzung, der Kornform und -oberfläche und der Festigkeit des Minerals. Sie ist umso besser, je höher der Anteil an gebrochenen Körnern ist, d.h. je kantiger die Körner sind. Die Verwendung abstumpfender Stoffe setzt voraus, daß sie trocken angeliefert und trocken gelagert werden, damit sie streufähig bleiben. Abstumpfende Stoffe müssen nach dem Ende der Winterperiode wieder aufgenommen und entsorgt werden bzw. werden teilweise durch Ablaufvorgänge über Straßeneinläufe in Vorflutern oder Abwasserreinigungsanlagen transportiert.
5.3 Gemische von Streustoffen
Gemische aus tauenden und abstumpfenden Streustoffen sind grundsätzlich nicht zu verwenden. Durch die bei der Streuung abstumpfender Stoffe erforderlichen hohen Streudichten und die Notwendigkeit häufiger Nachstreuungen gelangen mehr Taustoffe auf die Verkehrsfläche als bei reiner Salzstreuung. Beim Ausbringen von Taustoffen ist die Beimengung abstumpfender Stoffe nicht sinnvoll.
5.4 Auswirkungen auf den Verkehr
Räum- und Streueinsätze des Winterdienstes sollen den Verkehrsfluss gewährleisten und die Verkehrssicherheit gegenüber winterglatter Fahrbahnen heraufsetzen. Abstumpfende Stoffe rauen die Oberfläche der Glätte auf, tauende Stoffe beseitigen die Glätte.
Die Griffigkeit einer Fahrbahn wird durch den Kraftschlussbeiwert charakterisiert. Die Kraftschlussbeiwerte einer mit Salz erfolgreich behandelten Fahrbahn entsprechen denen einer feuchten Fahrbahn. Abstumpfende Stoffe erhöhen den Kraftschluss winterglatter Fahrbahnen selbst beim Ausbringen großer Mengen nur geringfügig und vor allem nur vorübergehend.
Der Einsatz tauender Streustoffe senkt die auf glatten Fahrbahnen hohen Unfallraten und hilft, Staus zu vermeiden. Die Kosten für den Winterdienst werden durch Nutzen auf den Sektoren Verkehrsablauf und Verkehrssicherheit (Zeit-, Unfall-, Betriebskosten der Verkehrsteilnehmer) mehr als kompensiert.
Beim Einsatz abstumpfender Stoffe bleibt eine, gegenüber dem Einsatz von Taustoffen, höhere Unfallrate. Durch nach der Glätteperiode auf der Fahrbahn verbleibende abstumpfende Stoffe kann die Verkehrssicherheit von Zweiradfahrern beeinträchtigt werden.
In Kommunen ist auf Hauptverkehrsstraßen und Steigungsstrecken nach einem Streueinsatz mit Salz eine reduzierte Unfallrate und -schwere festzustellen, während Splitt keine positiven Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit (Unfallrate, Unfallschwere) hat. Auf Straßen mit geringer Verkehrsbedeutung erweist sich der Verzicht auf Streustoffe verkehrlich als grundsätzlich unproblematisch. Die Wirkung abstumpfender Streustoffe wird von den Verkehrsteilnehmern häufig überschätzt.
Die Auswirkungen auf das Verkehrsgeschehen sind umso positiver, je schneller der Winterdienst auf die Glättebildung reagiert.
5.5 Auswirkungen auf die Umwelt
5.5.1 Auftauende Streustoffe
Taustoffe können bei unsachgemäßer Ausbringung oder mangelhaftem Schutz Schäden an der Straße, an Bauwerken, Fahrzeugen und im Straßenumfeld verursachen:
- Korrosion von Fahrzeugen, Bewehrungen in Stahlbeton und an Kunstbauten aus Stahl bei fehlendem oder schadhaftem Korrosionsschutz
- Kontaktschäden an der unmittelbaren Straßenrandbepflanzung
- Schäden an Pflanzen und Pflanzenteilen als Folge von Veränderungen im Nährstoffhaushalt von Bäumen und Sträuchern durch Aufnahme von Natrium- und Chloridionen aus dem Boden
- Schädigung von Fischen und Fischnährtieren durch kurzfristige Anreicherung von Chloriden in Vorflutern
5.5.2 Abstumpfende Streustoffe
Chemische Wirkungen auf die Straße und das Straßenumfeld gehen von abstumpfenden Streustoffen im Allgemeinen nicht aus. Sie werden jedoch vom Verkehr über die Fahrbahnränder hinaus auf angrenzende Flächen geschleudert. Bei Verwendung abstumpfender Streustoffe können folgende nachteilige Wirkungen entstehen:
- Verstopfen von Entwässerungsanlagen
- Verunreinigung landwirtschaftlich genutzter Flächen
- Verunreinigung und Aufhöhung der Grünflächen und Bankette
- Schäden an parkenden und fahrenden Fahrzeugen
- Beeinträchtigungen durch Staubentwicklung (Feinstaubbildung)
- Umweltbelastung bei der Wiederaufnahme und Entsorgung.
Aufgenommene Streustoffe sind durch verkehrsbedingte und andere Schadstoffe belastet und müssen entsorgt oder aufbereitet werden. Eine erneute Verwertung des aufbereiteten Materials als Streustoff ist nur bedingt möglich. Der Einsatz abstumpfender Stoffe im Straßenwinterdienst ist wegen des Gebots der Abfallvermeidung grundsätzlich in Frage zu stellen.
5.5.3 Ökobilanzen
Mit dem Instrument der Ökobilanz können fundierte Entscheidungsgrundlagen für die Auswahl von Streustoffen aus ökologischer Sicht gewonnen werden. Hierbei werden alle Auswirkungen der Streustoffe auf die Umwelt im gesamten Lebenszyklus von der Gewinnung bis zur Entsorgung bilanziert.
Nach den bisher vorliegenden Ökobilanzen gelten sowohl die Salz- als auch die Splittstreuung als Belastung für die Umwelt und Maßnahmen zur Reduzierung beider Streustoffe sind weiter notwendig. Bezogen auf den Bedarf zur Streuung einer definierten Straßenfläche sind die ökologischen Auswirkungen der Splittstreuung höher als bei der Salzstreuung, wobei Feuchtsalz ökologisch eine bessere Bilanz aufweist als die Trockensalzstreuung.
Nach den durchgeführten Ökobilanzen sollte die Verwendung von Splitt und Sand auf Gehwege begrenzt sein. In Einzelfällen (z.B. Schutz von wertvollen Baumbeständen) können abstumpfende Streustoffe auch auf Fahrbahnen sinnvoll sein, aber nur bei sehr schwacher Verkehrsbelastung.
5.6 Kosten und Wirtschaftlichkeit
Kosten und Wirtschaftlichkeit des Winterdienstes können in zwei Aspekte untergliedert werden: die Wirtschaftlichkeit des Betriebsdienstes, die durch die direkten Betriebskosten des Winterdienstes bestimmt wird, sowie die Wirtschaftlichkeit für die Allgemeinheit, die neben den direkten Betriebskosten auch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen und Folgekosten berücksichtigt; letztere sind, insbesondere bei den Umweltauswirkungen, nicht in allen Fällen quantifizierbar.
Die Wirtschaftlichkeit des Winterdienstes wird bestimmt durch:
- die Kosten der Streustoffe selbst (Beschaffung und Lagerung),
- die Kosten der Fahrzeuge und Geräte (Beschaffung/Abschreibung, Wartung, Betriebskosten),
- die Personalkosten (Einsatz und Bereitschaft),
- die Kosten für vorbereitende Maßnahmen des Winterdienstes.
Bei abstumpfender Streuung entstehen im Vergleich zur Salzstreuung zusätzliche Kosten für:
- die Wiederaufnahme (Kehren),
- die Einsammlung des Kehrgutes,
- die Aufbereitung bzw. Entsorgung des Kehrgutes,
- die Reinigung der Grünflächen und der Entwässerungseinrichtungen nach der Winterperiode.
Obwohl die direkten Kosten für abstumpfende Stoffe niedriger liegen als für Salz, ergeben sich durch die wesentlich größeren Streumengen, die Notwendigkeit der Nachstreuungen sowie die zuvor genannten zusätzlichen Kosten für Wiederaufnahme, Entsorgung und Reinigung für die Streuung abstumpfender Stoffe insgesamt etwa die fünf- bis zehnfachen Kosten im Vergleich zur Salzstreuung auf der gleichen Strecke.
In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sind vor allem die folgenden Kosten und Wirkungen zu berücksichtigen:
- Betriebskosten des Winterdienstes
- Verringerung der Betriebskosten für die Verkehrsteilnehmer nach der Streuung durch Vermeidung von Staus, Einsparung an Kraftstoff, Zeitgewinn infolge höherer Reisegeschwindigkeiten
- Einsparung an Unfallkosten und Unfallfolgekosten
- Auswirkungen auf die Wirtschaft: Vermeidung von Produktionsausfällen in der Wirtschaft infolge Verspätung der Arbeitnehmer oder über die Straße anzuliefernder Produktionsgüter, Einnahmeausfälle bei der Transportwirtschaft
- Kosten der Umweltbelastung durch Schäden an Pflanzen, Gewässern, Böden, Fahrzeugen und Bauwerken sowie durch Veränderungen bei Schadstoffemissionen durch den Verkehr.
Die Kosten der Umweltbelastung sind kaum quantifizierbar, zumal schon die Belastungen selbst in Abhängigkeit vom Winterdienst schwer quantifizierbar sind.
Die Einsparungen an Betriebskosten für den Verkehr sowie an Unfallkosten infolge des Winterdienstes wurden in verschiedenen Untersuchungen nachgewiesen und zu den Betriebskosten in Bezug gesetzt. Dabei zeigt sich auf allen Außerortsstraßen sowie auf stark befahrenen Innerortsstraßen ein deutlicher volkswirtschaftlicher Gewinn beim Einsatz von Salz; die abstumpfende Streuung oder die Nullstreuung führen hier zu erheblichen volkswirtschaftlichen Mehrbelastungen. Die Minimierung der Bedienzeit zwischen einsetzender Glätte und der Salzstreuung führt zu deutlichen Einsparungen an Betriebskosten für den Verkehr sowie bei den Unfallkosten, so dass ein frühzeitiger und effektiver Einsatz volkswirtschaftlich sinnvoll ist.
6. Empfehlungen zum Streustoffeinsatz
Auf der Basis der zuvor genannten Erkenntnisse ist für den Streustoffeinsatz im Rahmen des differenzierten Winterdienstes folgendes zu empfehlen:
Einsatz von Salz auf allen Straßen, auf denen aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses ein höherer Kraftschluss zwischen Fahrzeug und Fahrbahn erreicht werden muss.
Dies sind:
- Ortsdurchfahrten der klassifizierten Straßen, Durchgangsstraßen
- Gemeindeverbindungsstraßen (d.h. außerhalb der geschlossenen Ortslage)
- Hauptverkehrs-, Hauptsammelstraßen, Straßen mit hoher Verkehrsbelastung
- Straßen mit besonderen Verkehren (ÖPNV, Rettungsdienste)
- besondere Gefahrenstellen (Steigungsstrecken, Engstellen, besondere Knotenpunkte, Brücken, Punkte mit besonderer Glättebildung)
Auf allen anderen Straßen, auf denen die Streuung von Salz nicht erforderlich ist, ist grundsätzlich die Null-Streuung zu empfehlen, d.h. der Verzicht auf Streustoffe, da die Splittstreuung hier keine Vorteile, sondern nur Nachteile bringt. Diese Strecken sind lediglich bei Bedarf zu räumen (Reinigungspflicht). In ganz besonderen Fällen (Eisregen, Glatteis, besondere Reifglätte) kann auch auf diesen Strecken eine Streuung mit Salz erforderlich werden.
C. Weitere Empfehlungen zur Minimierung der Salzmengen
Auch auf Strecken, auf denen der Salzeinsatz nach wie vor erforderlich ist, können die Salzmengen durch Einsatz modernster Technik und Beachtung neuer Erkenntnisse deutlich reduziert und minimiert werden. Hierbei sind vor allem folgende Punkte von Bedeutung:
- Nutzung und Auswertung bestmöglicher Wetterinformationen durch Anschluss an das Straßen-Wetter-Informations-System SWIS, ggf. zusätzliche Glättemeldeanlagen im eigenen Netz und intensive Beobachtung und Auswertung des Wettergeschehens;
- wird bereits durch den Aachener Stadtbetrieb praktiziert -
- Eine wesentliche und heute noch nicht ausreichend genutzte Möglichkeit zur Minimierung der Streumengen ist die verstärkte mechanische Räumung. Je mehr Schnee und Eis mechanisch von der Straße entfernt wird, um so weniger muss auf physikalisch-chemischem Wege "weggetaut" werden. Somit können aggressive Pflüge, Besen oder Räum-Kehr-Kombinationen, richtig eingesetzt, auch Streustoffe reduzieren.
- wird bereits durch den Aachener Stadtbetrieb praktiziert -
- Die Anwendung hochwertiger Salze mit hoher Tauleistung ermöglicht durch ein optimales Verhältnis zwischen getauter Eismenge und aufgebrachter Salzmenge eine Minimierung der Salzmenge; hier bestehen bei den am Markt angebotenen Salzen durchaus Unterschiede.
Sehr wesentlich zur Salzmengenreduzierung ist die Anwendung von Feuchtsalz (FS 30). Untersuchungen haben gezeigt, dass hierbei nicht nur deutliche Salzeinsparungen (mindestens 25 %), sondern gleichzeitig auch eine verbesserte Wirkung (schnellere Tauwirkung, längere Liegedauer, Wirksamkeit bei tiefen Temperaturen) erreicht werden. Auch die Wirtschaftlichkeit wird verbessert, da die Einsparungen die Investitionen wieder aufwiegen.
- wird bereits durch den Aachener Stadtbetrieb praktiziert -
- Möglichst frühzeitiger Winterdiensteinsatz, da je früher die Streuung erfolgt (vor Festfahren des Schnees), umso geringere Streumengen ausreichen.
- wird bereits durch den Aachener Stadtbetrieb praktiziert -
- Optimierte und strategische Einsatzplanung, um im Bedarfsfall angepasst und schnell reagieren zu können.
- wird bereits durch den Aachener Stadtbetrieb praktiziert -
- Noch besser angepasste Streumengen im Einzelfall: die erforderliche Streumenge hängt von der vorhanden Schnee-/Eisschicht, der Witterung und dem noch vorhandenen Restsalz ab. In diesem Zusammenhang ist auch die Weiterentwicklung der Fahrzeug- und Gerätetechnik von besonderem Interesse
- wird bereits durch den Aachener Stadtbetrieb praktiziert -
- Genaue wegeabhängige Dosierung und gute Streubilder sind bei neuen Geräten heute Standards; alte Geräte sollten zur Salzstreuung nicht mehr eingesetzt werden. Allerdings sind die Streugeräte regelmäßig hinsichtlich Streumenge und Streubild zu kontrollieren und zu justieren, da sonst erhebliche Abweichungen möglich sind.
- wird bereits durch den Aachener Stadtbetrieb praktiziert -
- Neben der wegeabhängigen Dosierung ist auch die "breitenabhängige" Dosierung im Einsatz zu beachten. Damit ist gemeint, dass darauf zu achten ist, dass die Fahrer während des Einsatzes auch die Steuerung der Streubreite regelmäßig vornehmen, so dass weder zu schmal noch zu bereit gestreut wird.
- wird bereits durch den Aachener Stadtbetrieb praktiziert -
- Sowohl zur Kontrolle von Einstellungen, Streumengen und Dosierungen als auch zur bewussten regelmäßigen Auswertung der Winterdienstaktivitäten mit dem Ziel der stetigen Weiterentwicklung und Verbesserung des Winterdienstes auf der Basis der gewonnenen Erfahrungen ist eine automatisierte Streudatenerfassung im Winterdienst zu empfehlen. Dies befreit den Fahrer von allen Aufschreibungen während des Einsatzes, so dass er sich noch besser auf den Streueinsatz selbst konzentrieren kann.
- ist bereits seit Jahren geplant, jedoch aufgrund der Haushaltsmisere bislang nicht umgesetzt-
Viele der o. g. Punkte erfordern eine intensivierte und regelmäßige Schulung des Einsatzpersonals. Von dessen Ausbildung, Qualität und Engagement hängt ein wesentlicher Teil des Erfolges des differenzierten Winterdienstes ab. Um zu einer Minimierung der Salzmengen durch eine optimierte Fahrzeug- und Gerätetechnik zu gelangen, müssen Investitionen getätigt werden.
D. Fazit
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass im Winterdienst sowohl in der Forschung als auch in der Weiterentwicklung von Verfahren und Gerätetechnik in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte und Erkenntnisgewinne erreicht wurden, die es zu nutzen gilt. Auf dieser Basis ist eine wesentliche Fortentwicklung des differenzierten Winterdienstes möglich. Hierbei wird auf den Strecken mit hoher Verkehrsbedeutung und besonderen Gefährdungen Salz gestreut, im übrigen Streckennetz nur bei Bedarf geräumt.
Es gehört zum Selbstverständnis des Aachener Stadtbetriebes sich in einem ständigen Prozess über die rechtlichen, praktischen und technischen Entwicklungen in den jeweiligen Aufgabengebieten zu informieren um die Organisation im Rahmen der Möglichkeiten den notwendigen Veränderungen anzupassen. Wie aus den vorstehenden Erläuterungen zu entnehmen ist, ist dies auch fortlaufend geschehen, so dass aus Sicht des Aachener Stadtbetriebes eine Neuorganisation des Winterdienstes für das Gebiet des Stadt Aachen nicht erforderlich ist. Ungeachtet dessen wird der Aachener Stadtbetrieb die gewonnenen Erkenntnisse aus dem ungewöhnlich schneereichen Monat Dezember 2010 mit allen Beteiligten kritisch bewerten und sodann die ggf. notwendigen Optimierungsmaßnahmen vornehmen.
Eine Vergleichbarkeit mit Gebieten wie z.B. Bayern, Österreich und der Schweiz ist aufgrund von zum Teil völlig unterschiedlicher Rahmenbedingungen nur bedingt möglich. Im Übrigen werden dortige Erkenntnisse auch Deutschlandweit in entsprechenden Studien und Fachpublikationen berücksichtigt und haben letztlich auch zu dem heutigen Stand der Technik im Bereich des Winterdienstes beigetragen.
Im Ergebnis kann jedoch auch die bestmögliche Winterdienstorganisation und -ausstattung witterungsbedingte Beeinträchtigung in der Mobilität der Verkehrsteilnehmer nicht verhindern. Hierauf haben sich alle Verkehrsteilnehmer auch zukünftig einzustellen.
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