Entscheidungsvorlage - FB 01/0016/WP17

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

 

Für den Wahlprüfungsausschuss:

In der Wahlprüfungssache betreffend den Wahleinspruch von Herrn Ahmet Tarak als Einspruchsführer vom 26.06.2014, zugegangen am 26.06.2014 per weitergeleiteter Email am 26.06.2014, gegen die Gültigkeit der Integrationsratswahl der Stadt Aachen beschließt der Wahlprüfungsausschuss:

 

Der Wahleinspruch ist unzulässig und daher zurückzuweisen. Der Wahlprüfungsausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt, entsprechend zu beschließen.

 

 

Für den Rat der Stadt:

Der Rat der Stadt beschließt, der Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu folgen und den Wahleinspruch zurückzuweisen.

 

Reduzieren

Erläuterungen

Erläuterungen:

 

I.              Sachverhalt

 

Mit E-Mail vom 26.06.2014 um 7:57 Uhr (Anlage 1) erhielt Herr Oberbürgermeister Philipp nachfolgende Mitteilung:

 

An Herrn Oberbürgermeister Marcel Philipp

Rathaus

52062 Aachen

             

Einspruch gegen das amtliche Wahlergebnis der Integrationswahl am 25.05. 2014

 

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

 

ich habe am Wahlabend und ein Tag später Unregelmäßigkeiten mitbekommen. Natürlich solten diese geklärt werden. Diese möchte ich Ihnen als Fragen formulieren, damit diese beantwortet werden können.

 

1.  Obwohl wir ganz zum Schluß auf die Ergebnisse gewartet haben, kann es ja nicht so schwer sein, die wenigen Stimmen zur Integrationswahl zu zählen. Schlimmer noch, dass es am Tag danach noch bis ca. 16.30 Uhr  gezählt wird, oder? Sollten die Ergebnisse nicht schon in der Wahlnacht ohne Unterbrechung feststehen?

 

2. Ich bin Zeuge, dass am 26.05.2014 ca. um 01.00 Uhr drei Kandidaten ( Senol Asik, Moren Newman und Cengiz Ulug) zum Wahlamt in der Peterstraße gehen wollten und mich auch mitnehmen wollten, um zu kontrollieren, warum die Zählung  so lange gedauert hat. Ich habe es dankend abgelehnt, weil ich schon müde war. Ich bat sie, mich anzurufen und mir zu berichten, was sie gesehen haben. Früh am Morgen habe ich dann erfahren, dass sie dort chaotische Zustände vorgefunden haben, z.B. chaotisch gelagerte geöffnete Stimmzettelumschläge und müde Jugendliche ohne Erfahrung, die nicht mehr zählen konnten. So kann die Wahl doch nicht zuverlässig sein, oder?

 

3. Da ich selber neugierig war, bin ich nach meiner Arbeit ca.um 16.00 Uhr zum Wahlamt gegangen und habe mitbekommen, wie gezählt wurde. Dort habe ich auch Herrn Senol Asik und Frau Kazak gesehen. Sie waren beide sehr verärgert und haben mir berichtet, dass sie alle Unregelmäßigkeiten mit Fotos dokumentiert haben.  Sie haben mir dann auch die offenen Umschläge gezeigt und gesagt, dass diese normalerweise vor der Zählung versiegelt sein müssten. Mir kam das so komisch vor, weil es kann ja nicht sein, dass die Wahl ein Tag später weitergeht und dass die Briefumschläge offen gelagert werden. Ich kam mir vor, wie in einem Bananenrepublik.

 

4. Am 26. Mai war die Zählung ca. 17.30 Uhr zu Ende und die Ergebnisse standen fest. Aber zur Überraschung aller Kandidaten waren am Freitag, den 28. mai 2014 ganz andere Zahlen, Daten und Fakten. Es kann doch nicht so mit Stimmen umgegangen werden. Woher sind die Stimmen gekommen? Wurden Stimmen vorher nicht gezählt oder sind das Stimmen, die irgendwo vergessen wurden? Wer kann garantieren, dass diese Stimmen richtige Stimmen sind?

 

5. Außerdem kann es ja nicht der Sinn sein, dass die ausländischen Wähler zum Wählen animiert werden, aber die endgültigen Ergebnisse erst am 28. Mai erfahren, also drei Tage später. Was sollen diese Wähler denken?

 

Man könnte noch viele Sachen wie nicht zugesandte Stimmzettel erwähnen, aber diese Punkte müssten schon ausreichen, um zu zeigen, dass man unschöne Gefühle hat und mit der Arbeitsweise nicht einverstanden ist. Deshalb möchte ich auch dem Wahlergebnis widersprechen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Ahmet Tarak

 

 

 

Diese an Herrn Oberbürgermeister Philipp und nicht an die Wahlleitung gerichtete E-Mail wurde zeitnah an die für die Entgegennahme der Wahleinsprüche zuständige Wahlleiterin, Frau Grehling, weitergeleitet.

 

 

II.              Rechtliche Würdigung

 

  1. Zulässigkeit des Wahleinspruchs bezogen auf Form und Fristen

 

Nach § 27 Abs. 11  GO NRW  i.V.m. § 39 Abs.1 KWahlG NRW und § 35 Abs. 2 der Wahlordnung zur Bildung des Integrationsrates der Stadt Aachen (Wahlordnung) ist ein Wahleinspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses bei der Wahlleiterin schriftlich einzureichen oder mündlich zur Niederschrift zu erklären.

 

1.1              Frist

Das Wahlergebnis zur Wahl des Integrationsrates wurde am 05.06.2014 in den beiden Aachener Tageszeitungen (AN und AZ) öffentlich bekannt gemacht. Der Einspruch des Einspruchsführers vom 26.06.2014, der Wahlleiterin per  weitergeleitete E-Mail zugegangen am 26.06.2014, erfolgte innerhalb  der Monatsfrist  nach der Bekanntmachung und insoweit fristgerecht.

 

1.2              Schriftformerfordernis

In § 39 Abs. 1 KWahlG  NRW ist die Schriftform gesetzlich vorgeschrieben. Der Einspruch ist nicht schriftlich im eigentlichen Sinne des Gesetzes eingelegt worden, da die Einspruchsschrift  nicht als Schriftstück im Original eingereicht wurde. Fraglich ist, ob die E-Mail vom 26.06.2014 dem Schriftformerfordernis genügt.

 

Die öffentliche Bekanntmachung des Ergebnisses der Integrationswahl  in den Tageszeitungen enthält sowohl den Hinweis auf die Einspruchsfrist  als auch den Hinweis darauf, dass der Einspruch bei der Wahlleiterin schriftlich einzureichen oder mündlich zur Niederschrift zu erklären ist. Damit ist der Einspruchsführer über das Formerfordernis des § 39 Abs. 1 KWahlG

zutreffend informiert worden. Es liegt in der Verantwortung des  Einspruchsführers, die Einspruchsfrist durch rechtzeitige Vorlage bzw. Einreichung eines formgerechten Schreibens zu wahren.

 

Sofern für Einreichungen die Schriftform  oder die elektronische Form  gesetzlich vorgeschrieben ist, sind grundsätzlich die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S. 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Unabhängig davon, dass eine solche Zulassung im Bereich des KWahlG (noch) nicht erfolgt ist, genügt der Einspruch des Herrn Tarak  nicht dem Erfordernis des § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes. 

 

Abweichungen von der gesetzlichen Schriftform sind im KWahlG für die Einspruchseinlegung nicht getroffen. Während  § 29 Abs. 1 S. 2 KWahlO NRW für den Fall der Beschwerde gegen eine Entscheidung des Wahlausschusses betreffend die Zulassung von Wahlvorschlägen ausdrücklich bestimmt, dass die Schriftform auch u.a. durch E-Mail oder als sonstige dokumentierbare Übermittlung als gewahrt gilt, verweist die Wahlordnung in § 63 Abs. 2 WahlO NRW lediglich auf  den in der Bekanntmachung  aufzunehmenden Hinweis auf die Frist zur Erhebung von Einsprüchen gegen die Wahl gemäß § 39 KWahlG NRW, ohne eine entsprechende Regelung hinsichtlich der Schriftform zu treffen. Entsprechend dem Grundsatz Argumentum e Contrario liegt dies den Schluss nahe, dass das Schriftformerfordernis in § 39 KWahlG NRW nicht durch die Versendung einer E-Mail als gewahrt angesehen werden kann.

 

Eine E-Mail genügt dem erforderlichen Schriftformerfordernis nicht, wenn ihr die nach § 126 Abs. 1 BGB erforderliche Unterschrift fehlt. Das Einspruchsschreiben liegt  auch beim Einspruchsführer als E-Mail-Versender nicht als eigenhändig unterzeichnetes Original vor, so dass sich vorliegend –anders im Fall des Herrn Özbay-  nicht die Frage stellt, ob ein mit Unterschrift versehenes eingescanntes Schriftstück als PDF-Anhang zu einer elektronischen Nachricht sich als zulässiger Fall der Wiedergabe der Unterschrift in Kopie darstellt, wie dies  in Fällen der Telefaxübermittlung als ausreichend erachtet wird.

 

Die Unterschrift ist auch nicht nachholbar, da die einmonatige Einspruchsfrist bereits verstrichen ist.

 

Der Wahleinspruch ist somit aus formalen Gründen als unzulässig zurückzuweisen.

 

1.3              Einspruchsberechtigung

Der Vollständigkeit halber  ist  die Einspruchsberechtigung des Einspruchsführer s  und Einzelbewerbers gemäß § 39 Abs. 1 KWahlG NRW i.V.m. § 27 Abs. 3 GO NRW zu bejahen.

 

 

2.  Zulässigkeit des Wahleinspruchs bezogen auf das Begründungserfordernis

 

Der bereits aus formalen Gründen unzulässige Wahleinspruch erfüllt darüber hinaus auch nicht die an eine hinreichende Begründung des Wahleinspruchs zu stellenden Anforderungen.

 

Eine hinreichende Begründung eines Wahleinspruches liegt nur dann vor, wenn der Einspruchsführer darlegt, welche konkreten Vorkommnisse bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl beanstandet werden, die das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Dabei muss der Einspruchsführer den vermeintlichen Wahlfehler substantiiert geltend  machen. Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung einer Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, dürfen als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (BVerfG, Beschl. v. 24.8.1993 - 2 BvR 1858/92 -, juris).

Das im Wahlprüfungsrecht enthaltene Substantiierungsgebot soll sicherstellen, dass die sich auf der Grundlage der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses ergebende Zusammensetzung des Parlaments nicht vorschnell in Frage gestellt wird und dadurch Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit geweckt werden. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, dürfen deshalb als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (BVerfG,  Beschl v. 12.12.1991 -. 2 BvR 562/91-, juris).

 

Zu Ziff.1

Die vom Einspruchsführer indirekt beanstandete Unterbrechung der Stimmenzählung ist eine Unregelmäßigkeit, da das Wahlergebnis gemäß § 49 Abs. 1 KWahlO ohne Unterbrechung zu ermitteln ist.

Wenn die Verletzung von Vorschriften beanstandet wird, die das Verfahren der Stimmenauszählung und der Ermittlung des Wahlergebnisses regeln, kann die Erheblichkeit eines solchen Mangels für das Wahlergebnis und die Verteilung der Sitze im allgemeinen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Sinn und Zweck der die Stimmenauszählung betreffenden Vorschriften der Wahlgesetze ist es, die zutreffende Ermittlung des Wahlergebnisses zu gewährleisten.

Dementsprechend haben die Wahlprüfungsorgane in solchen Fällen den mit dem Einspruch vorgetragenen Sachverhalt durch geeignete Ermittlungen aufzuklären. Dabei ist die Aufklärung entsprechend dem Sinn des Substantiierungsgebots zunächst auf die Prüfung zu beschränken, ob sich die gerügten Verfahrensfehler als die vom Einspruchsführer benannten Beobachter ereignet haben. Ist dies der Fall, so haben sich die Ermittlungen der Frage zuzuwenden, ob die festgestellten Mängel des Zählverfahrens Auswirkungen auf das im konkreten Fall in Zweifel gezogene Wahlergebnis und darüber hinaus auf die Zuteilung von Mandaten haben (BVerfG,  Beschl v. 12.12.1991 -. 2 BvR 562/91-, juris).

Der gerügte Verfahrensfehler der Unterbrechung lässt keinen Rückschluss auf eine inhaltlich fehlerhafte Auszählung der Stimmen zu, so dass jegliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die Unterbrechung der Zählhandlung auf die Zuteilung von Mandaten ausgewirkt haben könnte, fehlen. Diese werden vom Einspruchsführer im Zusammenhang mit der Unterbrechung der Stimmenzählung auch nicht behauptet. Die Beanstandung zu Ziff. 1 nimmt nicht Bezug auf  die Unrichtigkeit des der Mandatszuteilung zugrundeliegenden Zählergebnisses, sondern auf die späte Bekanntgabe des Ergebnisses. So auch die Beanstandung zu Ziff. 5.

Die Unterbrechung erfolgte zur Nachtzeit gegen 2:45 Uhr. Sie war notwendig geworden, da ein weiteres Verbleiben des Zählvorstandes die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes verletzt hätte und um sicherzustellen, dass die Auszählung der Stimmen mit unverminderter Zuverlässigkeit weitergeführt wird. Während der Unterbrechung der Zählung war ein Zugriff Dritter auf diese Unterlagen und damit auch eine Manipulation des Wählerwillens ausgeschlossen. Das Vorbringen ist somit nicht geeignet, eine Mandatsrelevanz zu begründen.

 

Zu Ziff. 2

Der Vortrag betreffend „chaotische Zustände“ und „chaotisch gelagerte geöffnete Stimmzettelumschläge“ genügt nicht dem Substantiierungsgebot, da hierin ein der Überprüfung zugänglicher Tatsachenvortrag nicht enthalten ist. Als unzutreffend erweist sich, soweit  verifizierbar, die weitere Behauptung,  „müde Jugendliche ohne Erfahrung, die nicht mehr zählen

konnten“,  wären mit der Zählung der Stimmen befasst gewesen. Gemäß § 7 S. 3 der Wahlordnung  zur Bildung des Integrationsrates der Stadt Aachen waren zum Wahl-/Zählvorstand  nur  Wahlberechtigte und Bürger/innen der Stadt Aachen zugelassen, die das 18. Lebensjahr erreicht hatten. Diese haben vor ihrer Bestellung eine Einweisung und Unterrichtung erhalten.

 

Zu Ziff. 3

Die Beanstandung in Bezug auf die von dem Einspruchsführer namentlich genannten Beobachtern, die bei ihrem Eintreffen im Wahlamt  am 26.05.2014  geöffnete Wahlunterlagen vorgefunden und  fotografiert hätten, lässt ebenfalls keine Rückschlüsse auf Unregelmäßigkeiten zu, da die Beobachter erst zu einem Zeitpunkt im Wahlamt eingetroffen sind, als mit der Auszählung der Stimmen bereits begonnen worden ist.

 

Zu Ziff. 4

Diese Beanstandung hat zu Recht den Unmut des Einspruchsführers erregt, sie betrifft allerdings keine Unregelmäßigkeit bei der Auszählung der Stimmen. Fakt ist, dass der Votemanager aufgrund eines Aktualisierungsfehlers der dem Zählverfahren zugrundeliegenden Software die Berechnung der Mandatsverteilung  im Integrationsrat nach dem Verfahren der mathematischen Proportion nach Hare/Niemeyer  anstatt nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte Laguë/Schepers erstellt hat. Gemäß § 3 Abs. 5 der Wahlordnung zur Bildung des Integrationsrates der Stadt Aachen in der vom Rat am 07.05.2014 beschlossenen Fassung  war das Verfahren nach Sainte Laguë/Schepers zwingend einzuhalten.

Aufgrund der für das Zählverfahren fehlerhaft unterlegten Software ist es nach entsprechender Korrektur, die einen Wahlfehler bei der Feststellung des Wahlergebnis verhindern konnte,  zu einer Änderung der Sitzverteilung (1 Sitz) zu Lasten der MIT-Aachen gekommen. Der Fehler wurde noch vor der Sitzung des Wahlausschusses korrigiert. Dem Ausschuss wurde bereits das korrigierte Ergebnis zur Beschlussfassung vorgelegt. Dieses Ergebnis wurde -als allein verbindlich-  öffentlich bekannt gemacht.

 

Zu Ziff. 5

Die Beanstandungen zu diesem Vorbringen  korrespondieren mit dem Vorbringen zu Ziff.1 und enthalten darüber hinaus keinen neuen Tatsachenvortrag.

 

Die Zurückweisung des Einspruchs  ist bereits aus formalen Gründen (fehlende Schriftform) gerechtfertigt;  darüber hinaus entspricht die am sog Substantiierungsgebot  zu messende Einspruchsbegründung auch nicht den für eine Zulässigkeit erforderlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 lit b) KWahlG NRW.

 

Der Einspruch ist somit insgesamt zurückzuweisen.

 

Reduzieren

Anlagen

Loading...