Kenntnisnahme - FB 02/0019/WP17

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Wissenschaft nimmt den Bericht zu ‘SWITCH‘ zur Kenntnis.

 

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Erläuterungen

SWITCH – Die Full-Service-Agentur für Studienabbrecher/Innen

Durchstarten statt abwarten

Hohe Studienabbruchquoten und ein wachsender Fachkräftemangel – aus diesem Grund wurde in Aachen im Jahr 2011 das Modellprojekt ‚SWITCH’ von der städtischen Wirtschaftsförderung initiiert und zusammen mit der IHK Aachen, den Aachener Hochschulen, dem Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung, der Bundesagentur für Arbeit und vielen weiteren regionalen Partnern entwickelt. In nur 18 Monaten können Studienabbrecher/-innen seitdem in Aachen eine verkürzte duale Ausbildung absolvieren.

 

Hintergrund und Zielsetzung

Aachen ist eine Wissenschafts- und Technologiestadt. Die exzellenten Hochschulen mit ihrer technischen Schwerpunktsetzung einerseits und eine Vielzahl von innovativen klein- und mittelständischen Unternehmen andererseits prägen die Wirtschaftsstruktur. Trotz dieser positiven Standortfaktoren beklagt eine zunehmende Anzahl von Unternehmen einen wachsenden Fachkräftemangel. Bereits über 2/3 sehen diesen Fachkräftemangel als ihre größte zukünftige Herausforderung und werden dabei von demographischen Prognosen von IT.NRW bestätigt. Diesen zufolge wird die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter in der Region Aachen bis 2030 um 76.000 sinken. Verschärft wird dieses demographische Problem durch einen zunehmenden ‘Wettbewerb um kluge Köpfe‘ und die gleichzeitig wachsende Mobilität von Studierenden, Absolventen und Fachkräften. Abseits der Großstädte und Metropolen führen diese Entwicklungen oftmals zu einem beachtlichen BrainDrain.

 

Für die Stadt Aachen waren und sind diese Tendenzen der Anlass, nach versteckten Fachkräftepotenzialen zu suchen und diese zu nutzen. Im Laufe der letzten zehn Jahre wurden dabei verschiedene Zielgruppen in den Fokus genommen. So wurden mit verschiedenen Projekten z.B. Fachkräfte mit Migrationshintergrund und Langzeitarbeitslose 50+ in den Arbeitsmarkt integriert oder mit dem Aachener Familienservice die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert.

 

Mit den Studienabbrechern/-innen kümmert sich die Wirtschaftsförderung seit 2011 um eine neue Zielgruppe, die besonders in Aachen stark vertreten ist. Laut den Untersuchungen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung brechen durchschnittlich 28% aller Bachelorstudenten/-innen das Studium ab. In Aachen ist die Zahl aufgrund der starken technischen Ausrichtung der Hochschulen höher. In den Fächern Informatik, Elektrotechnik oder Maschinenbau liegen die Zahlen der Aussteiger/-innen sogar bei rund 50%. In absoluten Zahlen ausgedrückt verlassen unter den ca. 56.000 Aachener Studierenden jährlich etwa 3.500 die Aachener Hochschulen ohne Abschluss.

 

Genaue Erkenntnisse darüber, was mit einzelnen Personen nach einem Studienabbruch passiert, gibt es leider nicht. Auch wenn Studienabbrecher/-innen nicht überdurchschnittlich arbeitslos sind, ist statistisch zu beobachten, dass diese oftmals als ungelernte Arbeitskräfte arbeiten und/oder in ihre Heimatregionen zurückkehren. In beiden Fällen gehen dem Arbeitsmarkt große Potenziale verloren, die in Aachen dringend benötigt werden. Hier setzt das Projekt SWITCH an. Mit SWITCH erhalten Studienabbrecher/-innen die Chance, in einem sehr kurzen und finanziell ‘überbrückbaren‘ Zeitraum einen hochwertigen Berufsabschluss zu erwerben. Unternehmen erhalten Zugang zu Auszubildenden und die Region bindet durch berufliche Perspektive junge Menschen, die ohne das Projekt ggf. abwandern würden. SWITCH schafft somit eine ‘Win-Win-Win-Situation‘, für Studienabbrecher/-innen, Unternehmen und die Region.

 

Das System SWITCH

Mit der maximalen Verkürzung der dualen Ausbildung auf 18 (bzw. 24) Monate trägt SWITCH vor allem der Tatsache Rechnung, dass Studienabbrecher/-innen bereits Vorkenntnisse mitbringen. Diese Verkürzung, die bisher nur im Einzelfall beantragt aber so gut wie nie realisiert werden konnte, wird im Projekt SWITCH jeweils in einer gesamten Ausbildungsklasse zur Regel gemacht. Vorausgesetzt wird eine erhöhte Leistungsfähigkeit, mindestens zwei Semester Studium und Studienleistungen in Höhe von mindestens 20 Credit Points. Durch die Berufskollegs wird jeweils ein didaktischer Plan entwickelt, der dem Vorwissen und der erhöhten Lernfähigkeit angepasst ist. Der innovative Charakter besteht neben der komprimierten Ausbildungsform auch in der Organisation der Ausbildungszeit: Im Unterschied zu regulären Auszubildenden verbringen die Auszubildenden der SWITCH-Klasse mit vier Tagen mehr Zeit im Betrieb sowie einen Tag und einen Abend in der Berufsschule.

 

Im ersten Schritt durchlaufen interessierte Bewerber/-innen ein Beratungsgespräch. Hier wird festgestellt, ob und welcher Ausbildungsberuf zum/zur Bewerber/-in passen könnte und welche bereits erworbenen Qualifikationen vorliegen. Im zweiten Schritt nimmt der/die Bewerber/-in an einem schriftlichen Test teil. Hier werden entsprechend des künftigen Ausbildungsberufs Grundkenntnisse und das allgemeine Verständnis der Thematik geprüft. Sofern der Test erfolgreich bestanden wurde, wird im dritten Schritt ein Bewerbungskurzprofil erstellt, das über entsprechende Verteiler passgenau an Unternehmen verschickt wird. Durch diese Vorgehensweise wird eine Vorauswahl getroffen und gleichzeitig sichergestellt, dass die teilnehmenden Ausbildungsbetriebe nur Bewerbervorschläge erhalten, die für eine derartig verkürzte Berufsausbildung in Frage kommen. Mit der Unterzeichnung des Vertrags und der Anmeldung beim teilnehmenden Berufskolleg endet der Vermittlungsprozess und beginnt die Ausbildung.

 

Erkenntnisse und Resultate

Aachen blickt bereits auf mehrjährige Erfahrungen und vernetzte Strukturen im Bereich Beratung und Vermittlung von Studienabbrechern/-innen zurück. Als Modellprojekt gestartet konnte SWITCH sich in den letzten vier Jahren zu einem Vorzeigeprojekt entwickeln.

 

SWITCH 1.0 – Das Startmodell 2010-2012:

2010 entstand die Idee, ein Angebot zum Thema „Studienabbruch in Zeiten des Fachkräftemangels“ ins Leben zu rufen. Der Fachbereich Wirtschaftsförderung / Europäische Angelegenheiten der Stadt Aachen entwickelte zusammen mit der IHK Aachen und dem Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung ein erstes Konzept,  um Studienabbrecher/-innen in verkürzter Form zum/zur Fachinformatiker/-in auszubilden. Sofort erklärten sich 32 Unternehmen zur Teilnahme bereit. Die ehemaligen 16 Studierenden besuchten eine eigene Klasse, deren Lehrplan auf ihre Vorkenntnisse abgestimmt wurde und schlossen mit einem Notendurchschnitt von 1,6 ihre Ausbildung ab. 2012 konnten 29 weitere ehemalige Studierende in eine verkürzte Ausbildung vermittelt werden.

 

 

SWITCH 2.0 – Gefördertes Erweiterungsmodell 2012-2015

Mit einer 50-prozentigen Förderung über zweieinhalb Jahre durch die Fachkräfteinitiative NRW wurde das Konzept fachlich und regional ausgeweitet. Drei neue Ausbildungsberufe kamen hinzu: Fachinformatiker/-in für Systemintegration, Mechatroniker/-in sowie Industriekaufmann/frau. 2013 konnten 40 Ausbildungsverhältnisse vermittelt werden. 2014 waren es bereits 84. Zudem absolvierten die Bewerber/-innen neben dem allgemeinen Beratungsgespräch erstmalig einen berufsfeldspezifischen Test, dessen Ergebnisse in die Bewerbungsunterlagen mit einflossen und den Unternehmen eine erste Einschätzung über Kenntnisse und Fähigkeiten der Bewerber/-innen vermittelten. Zudem wurde das Projektgebiet auf die Region ausgedehnt.

 

Als Vorreitermodell erhielt SWITCH auch bundesweite Aufmerksamkeit. So war das Projekt 2011 Preisträger beim Ideenwettbewerb der NRW.Bank, wurde 2012 mit dem Sonderpreis im Hermann-Schmidt-Wettbewerb prämiert und erhielt 2014 vom BMAS die Auszeichnung „Innovatives Netzwerk“. Diese überregionale Bekanntheit führte nicht nur zu einem Austausch mit anderen Regionen, die ähnliche Modelle initiierten, sondern zunehmend zu Bewerbungen von Studienabbrechern/-innen, die bereit waren, für SWITCH einen Umzug in Kauf zu nehmen. Ein Drittel der 420 Gesamtbewerber kommt von außerhalb der Region, einige sogar aus dem Ausland.

 

SWITCH 3.0 – Die Full-Service-Agentur für Studienabbrecher/Innen

SWITCH baut auf bewährten Strukturen und funktionierende Netzwerke des Modellprojektes auf und entwickelt sich nun weiter zur Full-Service-Agentur für Studienabbrecher/-innen. Ziel ist die ganzheitliche Öffnung des verkürzten Ausbildungsangebotes für alle Studienabbrecher/-innen unabhängig ihrer Studienfächer oder Ausbildungsberufe. Es werden nicht nur alle Fachrichtungen angesprochen, sondern auch alle Studienniveaus. Eine zielgruppengerechte Beratung in Anerkennungs- und Verkürzungsfragen entscheidet zukünftig über die Dauer der Ausbildung. Doch als Regel gilt, dass das Projekt stets die im Einzelfall maximal mögliche Verkürzung erreichen möchte. Für eine Entwicklung des bisherigen SWITCH-Konzeptes hin zu einer Full-Service-Agentur sind weitgehende fachliche, strukturelle und geographische Ausweitungen notwendig. Diese Ausbaustufe wird im Rahmen des JOBSTARTER–plus-Programms bis Januar 2018 mit 380.000,-€ zu 100% vom BMBF gefördert. Anlässlich dieser Projektförderung und um einen Eindruck von der Übertragbarkeit der Projekterkenntnisse zu erlangen, besuchte die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, zusammen mit der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Johanna Wanka, das Projekt SWTICH am 16.4.2015 bei der Firma ComConsult Kommunikationstechnik GmbH.

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Anlagen

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