Entscheidungsvorlage - FB 61/0694/WP15

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Beschlussvorschlag:

Der Verkehrsausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis. Die Verwaltung wird beauftragt, die Einführung eines flexiblen Kurzstreckentarifs in der Stadt Aachen in Abstimmung mit dem AVV und der ASEAG vorzubereiten.

 

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Erläuterungen

Erläuterungen:

Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt beantragt mit Datum vom 04.07.2007, die Einführung eines flexiblen Kurzstreckentarifs in der Stadt Aachen vorzubereiten. Ein "flexibler" Kurzstreckentarif (d.h. basierend auf einer festen Maximalzahl von Haltestellen als Kurzstrecke), auch "wandernde Kurzstrecke" genannt, sei in anderen Städten seit Jahren fester Bestandteil des Tarifangebots und hat sich auch bewährt.

Das Kurzstreckensystem in Aachen, das auf so genannten Kurzstreckenzonen basiert, sei hingegen ein unpraktikables Tarifkonstrukt, das in Aachen auch relativ unbekannt geblieben sei. Die Verwaltung wird aufgefordert, die Einführung eines flexiblen Kurzstreckentarifs in Abstimmung mit dem AVV und der ASEAG zu initiieren. Grundlage könnte ein Antrag des Agenda 21 Fachbeirates sein, den dieser bereits im Mai 2007 über eine probeweise Einführung eines flexiblen Kurzstreckentarifs in der Stadt Aachen gestellt hatte.

 

Weitere Anträge und Bemühungen (etwa seitens des Verkehrsclub Deutschland e.V.) sind aus den Vorjahren bekannt.

 

Heutiges System:

Bereits vor der Umsetzung der AVV-Tarifstrukturreform im Jahr 1996 wurden von der Verbundgesellschaft im Zusammenwirken mit den Verkehrsunternehmen im AVV Überlegungen und Untersuchungen angestellt, einen flexiblen Kurzstreckentarif unter der Bezeichnung "wandernde Kurzstrecke" für z.B. vier Haltestellen einzuführen. Die Umsetzung dieser Tarifmaßnahme scheiterte seinerzeit in erster Linie an den mangelnden technischen Möglichkeiten, da die überwiegend im Einsatz befindlichen Fahrausweisdrucker keine ausreichenden Kapazitäten zur Kennzeichnung der Einstiegshaltestelle auf dem Fahrschein aufwiesen.

 

Um dennoch eine preiswerte Möglichkeit für kurze Fahrten anbieten zu können, wurden ersatzweise Kurzstreckenzonen eingerichtet, die bis heute Bestand haben. In Aachen existieren insgesamt neun Kurzstreckenzonen, die in Anlage 1 abgebildet sind. Bei Fahrten innerhalb dieser Kurzstreckenzonen ist ein Fahrpreis von 1,50 EUR zu entrichten. Sobald die Zonengrenzen überschritten werden, ist der normale Fahrpreis von 2,10 EUR zu zahlen. Darüber hinaus wurde in Aachen für Fahrten innerhalb und auf dem Alleenring das so genannte City-Ticket Aachen für 1,30 EUR eingerichtet.

 

Das bisherige System erlaubt bei Fahrten in eine benachbarte Kurzstreckenzone, die sich jenseits einer Gemeindegrenze befindet, zudem eine Abrechnung nach Preisstufe 1 (2,10 EUR). Grundsätzlich wird bei Fahrten in ein anderes Stammgebiet ansonsten die Preisstufe 2 (2,70 EUR) berechnet.

 

Im Jahr 2006 wurde im gesamten AVV-Gebiet ca. 1,2 Mio. Kurzstreckenfahrkarten verkauft. Davon wurden schätzungsweise 800.000 Fahrten auf ASEAG-Linien durchgeführt, 2/3 hiervon im Stadtgebiet Aachen. Hier dürfte sich ein großer Teil innerhalb des Alleenringes abgewickelt haben.

 

Aus Sicht der Fahrgäste sind im System Fahrten bis zu 15 Haltestellen mit einem Kurzstreckenticket möglich - überwiegend dann, wenn man sich aus den Randlagen der Stadt auf einer der radialen Linien in Richtung Stadtmitte bewegt. Beispiele sind die Verbindungen Köpfchen - Sebastianstraße (9 Haltestellen) oder Eilendorf Schubertstraße - Elsaßstraße (12 Haltestellen).

 

Fahrten, die über die Kurzstreckenzonen hinaus führen, werden hingegen unabhängig von der Beförderungslänge mit der Preisstufe 1 (2,10 EUR) tarifiert. Beispiele sind Fahrten zwischen Josefskirche und Bahnhof Rothe Erde (2 Haltestellen) oder Kuckelkorn (Kaufland) und Schanz (2 Haltestellen).

 

Das System ist wenig transparent, nicht-selbsterklärend und bewirkt eine große tarifliche Ungleichbehandlung der verschiedenen Nutzer.

 

Kurzstreckenregelungen in anderen Verkehrsräumen

Eine flexible, "wandernde" Kurzstreckenregelung wird heute in vielen Verkehrsverbünden angeboten. Bekannt sind Beispiele aus dem VRS (4 Haltestellen für 1,40 EUR), dem VVS Stuttgart (3 Haltestellen für 1,00 EUR), der Düsseldorfer Rheinbahn (3 Haltestellen für 1,10 EUR), dem Münchener MVV (4 Haltestellen für 1,10 EUR) aus Kassel (4 Haltestellen für 1,50 EUR) und aus vielen anderen Regionen.

 

Die Verwaltung hat sowohl den AVV als auch die ASEAG um Stellungnahme gebeten und mehrere Abstimmungsgespräche geführt. Unabhängig davon haben AVV und ASEAG anlässlich verschiedener Gelegenheiten ihre Einschätzung zur Einführung eines flexiblen Kurzstreckentarifs formuliert. Nachfolgend sind die unterschiedlichen Positionen dargestellt.

 

Stellungnahme AVV:

Der AVV lehnt in zwei vorliegenden Stellungnahmen (siehe Anlage) eine flexible Kurzstrecke zur jetzigen Zeit ab.

Aufgrund des SPD-Antrages im Rat der Stadt Aachen sei in mehreren Klausurtagungen mit den Verkehrsunternehmen im AVV die Thematik intensiv untersucht und diskutiert worden. Im Ergebnis sieht eine Mehrzahl der Verkehrsunternehmen im AVV nicht die Notwendigkeit einer Modifizierung des heutigen Kurzstreckentarifs für ihr jeweiliges Verkehrsgebiet und lehnt die Einführung des flexiblen Kurzstreckentarifs ab.

 

Darauf hin wurde, gemeinsam mit der ASEAG, die Möglichkeiten der Einführung eines flexiblen Kurzstreckentarifs im Verkehrsgebiet der ASEAG diskutiert. Ergebnis der Betrachtungen ist, dass bei einer Umstellung auf einen flexiblen Kurzstreckentarif mehr Fahrgäste von einer Auftarifierung in Preisstufe 1 betroffen seien, während der neue Tarif nur für einen geringen Anteil der Fahrgäste von Vorteil sei. Die Nachteile für den weitaus größten Teil der Fahrgäste sein nicht aufzuwiegen, so dass bei Umsetzung dieser neuen Kurzstreckentarifierung der AVV mit erheblichen Fahrgastrückgängen rechnet. Massive Kundenproteste werden erwartet. Aus diesen Gründen kann seitens der Verbundsgesellschaft keine Empfehlung ausgesprochen werden, dem Antrag zu entsprechen.

 

Stellungnahme ASEAG:

Grundsätzlich ist die Einführung eines flexiblen Kurzstreckentarifs aus Sicht der ASEAG zu begrüßen. Sie würde die durch die Zoneneinteilung hervorgerufene heutige Tarifungerechtigkeit beheben. Ein solcher Kurzstreckentarif wäre einfach und transparent, z.B. für ortsfremde Touristen die den heutigen Tarif als Hemmnis sehen, den ÖPNV zu nutzen. Des Weiteren geht die ASEAG davon aus, dass mit dieser Tarifumstellung Einnahmesteigerungen erreicht würden. Nach Einschätzung der ASEAG würden aber deutlich mehr als zwei Drittel der Kundschaft in Zukunft in diesem Segment (Kurzstreckenticket) tariflich schlechter gestellt werden. Es werden deshalb massive Kundenproteste erwartet und ein teilweiser Rückgang von Fahrgästen. Sollte in diesem Zusammenhang der City-Tarif (Fahrten innerhalb und auf dem Alleenring für 1,30 EUR) abgeschafft werden, wäre ein Großteil der Kurzfahrer betroffen.

 

Weiterhin ist mit hohen Investitionskosten für Marketingmaßnahmen und entsprechende Haltestelleninformationen zu rechnen. Problematisch ist auch, dass die anderen Unternehmen aus dem Verkehrsverbundgebiet sich gegen die Einführung eines neuen Kurzstreckentarifs ausgesprochen haben. Damit würden unterschiedliche Kurzstreckentarife im Bedienungsgebiet existieren, die gegenüber den Fahrgästen und auch für das Fahrpersonal schwer vermittelbar seien. Sollte dennoch ein begrenztes Angebot für die Stadt Aachen geschaffen werden, müssten auf jeden Fall Übergangsregelungen gefunden werden. Notwendig wäre in diesem Falle, dass alle im Stadtgebiet tätigen Unternehmen technisch in der Lage sein müssten, die Einstiegshaltestellenkennung auf dem Entwerterdruck abbilden zu können. ASEAG-Fahrzeuge bzw. die auf deren Linien eingesetzten Subunternehmer werden spätestens Ende 2008 Fahrausweisdrucker besitzen, die in der Lage sind, die für die Fahrausweisprüfung erforderlichen Merkmale zu drucken.

Unter Berücksichtigung aller Rahmenbedingungen rät die ASEAG von einer Umstellung auf einen neuen flexiblen Kurzstreckentarif zum derzeitigen Zeitpunkt ab (siehe Anlage 4).

 

Position der Verwaltung:

Grundsätzlich betrachtet die Verwaltung eine flexible Kurzstrecke als einen modernen, notwendigen Tarif, der zur Erfüllung der Verkehrsbedürfnisse als einfach kommunizierbarer Fahrschein für den Transport auf kurzen Strecken zur Verfügung stehen sollte.

 

So sorgfältig die Kurzstreckenzonen definiert sein mögen: sie stellen kein auf den Fahrweg bezogen gerechtes System dar. Anstatt jedem Fahrgast eine Strecke von z.B. 4 Haltestellen von seinem Wohnort oder Arbeitsort oder Einkaufsort anzubieten, ist die Nutzbarkeit des heutigen Tickets nur innerhalb des Bewegungsspielraums der jeweiligen Zone gegeben und dort auch mit deutlichen unterschieden.

Die heutige Kurzstreckenregelung ist zudem unübersichtlich und letztlich kein Angebot für kurze Strecken. Einerseits gelten z.T. Fahrten bis zur nächsten Haltestelle nicht als Kurzstrecke, andererseits werden Fahrten als Kurzstrecke gewertet, deren Entfernung bzw. Haltestellenanzahl anderenorts bereits mit Preisstufe 2 tarifiert wird. Eine Nutzbarkeit ist mehr oder weniger zufällig von der Lage des Wohn- oder Zielortes abhängig. Problematisch wird dies insbesondere für die sehr bevölkerungsreichen Übergangsbereiche vor allem im Übergang zur/von der Tarifzone 01 (Alleenring).

 

Gerade im innerstädtischen Bereich wird der Unterschied zwischen den großstädtischen Ansprüchen an den ÖPNV und den Ansprüchen der mittelstädtisch bis ländlich geprägten umgebenden Aufgabenträger- und Verbundgebiet deutlich. In Aachen müssen deutlich mehr Menschen in den ASEAG-Bussen transportiert werden, um die innerstädtische Mobilität zu gewährleisten und einen Beitrag zur Reduzierung der Umweltprobleme zu leisten. Haltestellendichte und ÖPNV-Takt sind entsprechend wesentlich höher und können durch das flexible Kurzstreckenticket tariflich sinnvoll ergänzt werden.

Wenn auch grundsätzlich erkannt wird, dass eine einheitliche verbundweite Tarifsystematik sinnvoll ist, so zeigen sowohl bestehende Tarifbeispiele in Aachen, wie auch innerhalb des AVV, dass Einzelfallregelungen notwendig sind.

 

Aufgrund der mangelnden Transparenz ist die Kurzstrecke heute auch nicht vermarktbar und Gelegenheitsfahrer und Touristen werden nicht angesprochen. Hier wird ein großes  Neukundenpotenzial erwartet, das durch einen flexiblen Kurzstreckentarif hinzugewonnen werden könnte. Weitere Fahrgastzugewinne werden durch Fahrgäste erwartet, die aufgrund des hohen Fahrpreises heute lieber kurze Distanzen zu Fuß zurücklegen.

Eine Umstellung des Systems würde in Abhängigkeit von der gewählten Länge der flexiblen Kurzstrecke und in Abhängigkeit von den heute zurückgelegten individuellen Fahrtenlängen zum Teil zu Auftarifierungen für heutige Fahrgäste führen, darunter ein nicht-abschätzbarer Anteil von Kunden, die aufgrund der für sie günstigen Zonenaufteilung heute unverhältnismäßig weite Fahrten vornehmen können. Hier stellt das heutige Tarifmodell aus Sicht der Verwaltung weder eine wirtschaftliche Lösung dar noch wird erwartet, dass sich das Fahrgastaufkommen reduziert. Insgesamt geht die Verwaltung bei Durchführung einer entsprechenden Marketingkampagne von Fahrgastzuwächsen bzw. von einem Rentabilitätsgewinn des städtischen ÖPNV’s aus.

 

Eine mehr als qualitative Einschätzung der Effekte konnte aufgrund des vorliegenden Datenmaterials weder von ASEAG und AVV noch von der Verwaltung formuliert werden.

 

Grundsätzlich ist bei einer Einführung einer flexiblen Kurzstrecke mit einmaligen Umsetzungskosten zu rechnen. Da ohnehin neue Fahrausweisdrucker bei der ASEAG und ihren Subunternehmen eingeführt werden, ist dieser Hardwareaufwand in Grenzen zu halten. Die Verwaltung würde empfehlen, von einer aufwendigen Haltestelleninformation abzusehen, sodass vor allem Kosten für Marketingmaßnahmen anfallen würden.

 

Zusammengefasst: Für den Kunden ist ein flexibler Kurzstreckentarif mit einer festgelegten Maximalanzahl von Haltestellen einfacher und transparenter nutzbar als das heutige Zonensystem. Speziell für eine Großstadt wie Aachen mit seiner Verkehrs- und Umweltproblematik ist ein solcher Kurzstreckentarif geeignet und wird seit Jahren von Verbänden und Initiativen gefordert. Die Stadt Aachen erwartet durch die Maßnahme höhere Einnahmen als bisher und empfiehlt von daher dessen Einführung.

 

 

Vorschlag der Verwaltung zur Ausgestaltung des neuen Kurzstreckentarifs:

Der neue Kurzstreckentarif könnte für Fahrten bis zu 4 Haltestellenabschnitten gelten (eine Nutzbarkeit im SPNV - etwa für 2 Haltestellenabschnitte - wäre ebenfalls noch zu klären) und für 1,40 EUR angeboten werden. Die heutigen Kurzstreckenzonen werden abgeschafft. Gegebenenfalls könnte die Cityzone in Aachen beibehalten werden.

 

Sollten sich andere Aufgabenträger nicht beteiligen wollen, sollte der Tarif zunächst nur im Aachener Stadtgebiet umgesetzt werden. Die Übergangstarife zum umgebenden Kreisgebiet sollten  beibehalten werden.

 

Eine Umsetzung sollte Ende 2008 - nach Anschaffung der neuen Bordcomputer - erfolgen. Gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen und der AVV GmbH sollten bis dahin alle Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu zählt auch die Entwicklung einer flankierenden Vermarktungskampagne.

Alternativ böte sich zunächst die Durchführung einer Kundenbefragung an, die ggfs. weitere Informationen zur Einführung des Tarifangebots böte und von der Verwaltung in Kooperation mit dem AVV und der ASEAG beauftragt werden könnte.

 

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Auswirkungen

Finanzielle Auswirkungen:

keine

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Anlagen

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